Ein unverschämter Brief

„... dass wir 100 % auf unseren Gewinn achten“: Eine Hausverwalterin ist empört über ein Schreiben der Stadtwerke. Für zwei Sachbearbeiter hat das Ganze jetzt ein schlimmes Nachspiel.
J. Lenders |
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Renate Poxleitner mit dem „Corpus delicti“. Bisher hat sich noch niemand bei ihr dafür entschuldigt.
Petra Schramek Renate Poxleitner mit dem „Corpus delicti“. Bisher hat sich noch niemand bei ihr dafür entschuldigt.

„... dass wir 100 % auf unseren Gewinn achten“: Eine Hausverwalterin ist empört über ein Schreiben der Stadtwerke. Für zwei Sachbearbeiter hat das Ganze jetzt ein schlimmes Nachspiel.

München - Als Renate Poxleitner den Brief von den Stadtwerken liest, traut sie ihren Augen nicht. „Eine Unverschämtheit!“ Sie ärgert sich immer noch über den Schrieb. Was war passiert? Die Hausverwalterin wandte sich an das städtische Versorgungsunternehmen, weil sie eine Frage zu einem Gasliefervertrag hatte, der für eines ihrer Anwesen in der Baaderstraße gilt. Die Konditionen waren nicht besonders gut, hatte sie festgestellt. Ärgerlich genug. „Aber schlechte Verträge hat jeder mal geschlossen“, meint Poxleitner.

Doch das Schreiben der Stadtwerke schlägt dem Fass den Boden aus. In dem Dokument, das den Standard-Briefkopf der SWM trägt, stand in verworrenem Deutsch: „Auf alle Fälle können Sie davon ausgehen, dass wir sehr vorsichtig, aber 100 % auf unseren Gewinn, die Marge und das Gesamtstrategiekonzept, die Prozessexcelenz und vor allem auf unsere Unternehmensstrategie achten. Wir hoffen, alle Ihre Klarheiten beseitigt zu haben und verbleiben mit freundlichen Grüßen.“

Das Schreiben trägt die Unterschrift zweier Mitarbeiter. Mit so einer Antwort hatte die 59-jährige Hausverwalterin beim besten Willen nicht gerechnet. Das sonderbare Bekenntnis zum Profitstreben machte sie wütend. „Ich kann mich ja wehren, aber andere nehmen so etwas vielleicht hin“, sagt sie. Von den Stadtwerken habe sie etwas anderes erwartet. „Man dachte, die seien sozialer.“ Renate Poxleitner suchte im Internet das Portal von CSU-Stadtrat Marian Offman auf.

Unter www.stadtwerke-beschwerden.de können Kunden dort ihre Probleme schildern oder ihrem Unmut Luft machen. Und dazu hatte die Hausverwalterin schließlich allen Grund. Oder war der Brief vielleicht eine Fälschung und kam gar nicht von den SWM? Die AZ fragte nach. Nach einer internen Recherche musste Pressesprecherin Bettina Hess bestätigen: „Die SWM haben den für das Schreiben verantwortlichen Vertriebsmitarbeiter befragt. In diesem Gespräch hat der Mitarbeiter angegeben, diesen Brief tatsächlich verfasst zu haben.“ Als Grund für sein Fehlverhalten habe er vor allem private und berufliche Probleme angegeben. „Er hat das Auslaufen des Briefes bereut und hatte sich bereits persönlich bei der Hausverwaltung entschuldigt“, heißt es weiter in der Stellungnahme der Stadtwerke.

Doch das, so erklärt Renate Poxleitner, stimmt gar nicht. Sie hatte die beiden Männer nach dem Brief nämlich angerufen. Der Autor habe ihr demnach schlicht erklärt: „Der Brief ist nur für interne Zwecke gewesen und hätte nicht rausgehen dürfen.“ Sie bekomme einen Neuen, ließ er sie wissen. „Entschuldigt hat sich aber kein Mensch.“ Der zweite Unterzeichner, so schildert die resolute Frau, habe nur gesagt, dass er den Brief nicht gelesen habe.

Jetzt kommt Ärger auf die Mitarbeiter zu. Das Verhalten sei „absolut untragbar und wird personelle Konsequenzen haben“, heißt es bei den Stadtwerken. Das gelte auch für den, der das Schreiben „offensichtlich ungeprüft“ mit unterschrieben habe. Die Vertriebsleitung bedauere den Vorfall sehr und werde sich nun persönlich entschuldigen. Gleich am Tag nach dem kuriosen SWM-Brief war übrigens noch ein zweiter bei Renate Poxleitner eingetrudelt. Darin wurde ihr nüchtern-sachlich ein Rabatt von über 20 Prozent angeboten, als hätte sie den ersten Wisch nie erhalten. Trotz ihrer Wut hat die Hausverwalterin zugestimmt. Sonst hätte bestimmt auch sie Ärger bekommen – mit ihren Mietern.

 

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