Ein Stück Seele der AZ gegangen: Langjähriger Lokalchef Rudi Schröck ist tot

Audio von Carbonatix
"Guter Journalismus ist Liebe". An diese Worte des großen Henri Nannen muss ich denken, wenn ich nun über ihn schreibe. Über Rudi Schröck, den langjährigen Lokalchef dieser Zeitung. Ein Stück ihrer Seele. Rudi Schröck kam 1988 zur Abendzeitung und blieb bis 2003. Er arbeitete mitten in ihrer Herzkammer.
Rudi hat diese Abendzeitung geliebt. Er hat diese Liebe gepflegt und auch mit ihr gerungen und gelitten. Wie das so ist mit großen Lieben. Uns alle, seine Kolleginnen und Kollegen, hat er Tag um Tag angestiftet, sie ebenfalls zu lieben. Oder sich neu in sie zu verlieben. Denn eine Zeitung wie die AZ flirtet gern mit ihren Leserinnen und Lesern.
Er war mein Mentor und väterlicher Freund bis zuletzt. Mein Meister lebenslang. Als Jungredakteur stellte er mich 1997 ein. Ich verdanke ihm vieles, und ich schreibe diese Zeilen tränenverwischt.
Mit diesem großen Gefühl für die Menschen
Er hat uns ermuntert, so zu schreiben, dass es das Geheimnis dieser Stadt erahnen lässt. Bitte nicht so hart wie in Berlin, nicht so nüchtern wie in Hamburg. Sondern münchnerisch. Mit diesem großen Gefühl für die Menschen. Für das er persönlich stand. Mit diesem Charme, der Freiheitlichkeit und diesem Lebensdurst dieser Stadt. Und ja, auch mit ihrem Grant, ihrem Schillern und auch bloß mit ihrem schönen Schein.
Wie war das noch mal mit der Liebe und dem Journalismus, Rudi? So ganz genau? Sie heißt Ulrike, sie war Deine Kollegin in der Redaktion. Die Liebe Deines Journalistenlebens, der wir jetzt, Vergelt's Gott, sagen für die Weise, wie sie Dich zusammen mit Eurer Tochter Christina beschenkte. Wie sie Dir gerade in den letzten Monaten beistand. Bis Du am Donnerstag nach schwerer Krankheit in eine andere Wirklichkeit aufbrachst.
Wenn Schröck schrieb, meinte man, den Kies im Augustinerkeller unter den Schritten der Leute knirschen zu hören. Das Klirren der Krüge. Das Tuscheln auf den Roten Teppichen. Das Raunen im Rotlicht. Die Stille, wenn der Abend den Englischen Garten zudeckt. Das Reißen des Eisbachs. "Ist das Kitsch, Rudi?" – "Nein, das ist Kitsch as Kitsch can!" Sagte er und prustete los. Der Mann, der seine Gefühle, die er als Journalist verbreitete, als Mensch gern verbarg. Ein Teil seiner Unbestechlichkeit. Und doch, lieber Rudi, drang Dir die Menschenliebe aus jedem Knopfloch Deiner italienischen Sakkos. Und sie lag in jedem Deiner Lächeln. Dein Scheitel bebte, wenn dem Lächeln meist ein schallendes Schröcklachen folgte. Rudis München war auch dank Dir eine Stadt, die einen umarmt. Heimat und Halt für uns.
Für ihn gab es keine Alternative zu seinem Beruf
Und dann die Lust am Boulevard. Legendär, mit welcher Neugier und Inbrunst Du Dich täglich in die Texte Deiner Kollegin und Leute-Kolumnistin Marie Waldburg hineingestürzt hattest. Ich seh Euch vorm Monitor, ringend um jeden Satz, zusammen mit der AZ-Legende Helmuth Altinger, kurz vorm Andruck. Rudi war einer dieser seltenen Menschen, die gar nicht anders können. Für die es keine Alternative gibt zu ihrem Beruf. Die nicht nur schreiben wollen, die schreiben müssen. Es war eine Lebensnotwendigkeit für diesen Mann. Und so arbeitete er bis zu seinem Ende.
Ende? Als ich mich damals von Dir bei der AZ verabschiedete, riefst Du: "Mensch, Pröööse! Lieber ein Ende mit Schröck als ein Schröck ohne Ende!" Wie gern hätten wir einen ohne Ende gehabt. Zuletzt konnte er nicht mehr zum Handy greifen. Da hab ich ihm Sprachnachrichten auf sein Handy geschickt und seine Frau Ulrike hat sie ihm vorgespielt.
Als Rudis Zeit bei der AZ vorbei war, wurde er ein Bestsellerautor mit seinem Werk über Charles Lindbergh, war Dozent an der Journalistenschule in München und in Hamburg. Im Herbst gibt es eine Zugabe vom Himmel aus. Sein letztes Buch heißt: "Erfolgreiche Frauen und ihr Geheimnis".
Servus, großer Meister. Die Stadt ist ärmer ohne Dich. Ruckts zsamm da obn! Danke für Dich, Münchner im Himmel.
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