"Ein Lehrer ist mit sehr viel Getuschel konfrontiert"

Der Chef des des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, Klaus Wenzel, über gefährliche Gerüchte an Schulen und wie Lehrer damit umgehen sollten.
AZ: Herr Wenzel, im Lehel ist ein elfjähriges Kind von der Schule geflogen, weil es Sex-Gerüchte verbreitet hat. Die AZ hat über den Fall berichtet. Die Eltern werfen der Schule vor, völlig überzogen reagiert zu haben. Sind einem Elfjährigen die Folgen solchen Getuschels überhaupt bewusst?
KLAUS WENZEL: Nein, in aller Regel nicht. Denn solche Gerüchte können sehr schlimme Folgen für Lehrer haben. Da ist sich ein Elfjähriger meist nicht ansatzweise im Klaren, was er damit anrichtet oder schon angerichtet hat.
Warum erzählen Schüler solche Gerüchte weiter?
Es kann sein, dass sich ein Schüler etwa von einem Lehrer einmal ungerecht behandelt gefühlt hat und sich rächen will. Zum Teil ist es auch Wichtigtuerei. Außerdem können, wenn es um Sex geht, schon vorpubertäre Fantasien mit im Spiel sein.
Wie reagiert man als Lehrer?
Ich würde das vertrauensvolle Gespräch mit dem Schüler suchen. Auf keinen Fall gleich von Rufmord sprechen und mit Polizei oder Staatsanwalt drohen. Nur wenn der Schüler keine Angst hat, offen zu reden, kann ich erfahren, wie der Schüler dazu kommt.
Wie schafft man das?
Ich würde das Kind nicht vorladen, sondern einfach fragen, wann wir uns mal in Ruhe unterhalten können. Und sagen: Ich möchte wissen, warum du so etwas sagst – und du kannst dich darauf verlassen, dass es keine schlimme Strafe gibt, wenn wir offen reden.
Wie viel Getuschel muss ein Lehrer denn aushalten können?
Ein Lehrer ist mit sehr viel Getuschel konfrontiert. Deshalb brauchen die Kolleginnen und Kollegen viel Gelassenheit und Humor. Die Grenze muss aber dort gezogen werden, wo Schaden entstehen kann.
Gibt es Fälle, in denen ein Gespräch nicht mehr reicht?
Leider gibt es Fälle, in denen das Gerücht so gravierend ist, dass es eine Straftat ist und man die Polizei sowie den Staatsanwalt einschalten muss. Das ist aber zum Glück die ganz große Ausnahme. Erfahrene Pädagogen schaffen es mit ihrer Erfahrung meistens, die Angelegenheit nicht eskalieren zu lassen.
Ist ein Rauswurf übertrieben?
Grundsätzlich ist eine Entlassung das allerletzte Mittel. Es ist eine knallharte Strafe und hilft dem Schüler nicht. Für eine Entlassung entscheiden sich die Schulen nur, wenn es schon andere gravierende Vorfälle gab. Wenn es das erste Fehlverhalten ist, dann ist mir eine andere Erziehungsmaßnahme immer lieber.
Zum Beispiel?
Wenn der Schüler sich vor anderen oder vor der Lehrerin entschuldigen und erklären muss, dann hat das eine nachhaltigere Wirkung als wenn man ihn von der Schule schickt.