Drogenrazzia in München: Pizza Cocainata

MÜNCHEN - Mafia-Stützpunkt München: Ermittlungen der Polizei zeigen, dass Clans der kalabresischen Ndrangheta im oberbayerischen Drogen-Handel mitmischen. Elf Verdächtige sind in Haft.
München gilt als nördlichste Stadt Italiens. Spätestens seit Montag ist klar, dass das wohl auch im Hinblick auf Mafiosi behauptet werden darf. Denn bei einer Großrazzia im Großraum München hat die Polizei eine mafiamäßig organisierte Drogenhändlerbande zerschlagen (AZ berichtete). Rund 20 Verdächtige im Alter von 22 bis 54 Jahren wurden festgenommen. Der Vorwurf: Sie sollen Kokain aus Italien nach Bayern geschmuggelt und dort weiterverkauft haben.
Am Tag nach der Riesen-Razzia, die um zehn Uhr morgens begann und erst um 20 Uhr vorbei war, sickern weitere Details an die Öffentlichkeit durch. Gegen elf Verdächtige lag schon vor Beginn der Aktion ein Haftbefehl vor. Straftatbestand: „Tatmehrheitliches Verbrechen des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.“
Bis auf einen Mann sind alle verhafteten Verdächtigen Italiener. Sie stammen aus Kalabrien – der Heimatregion der ’Ndrangheta. Sie gilt laut Experten als mächtigste Mafia-Organisation in Deutschland. „Wir gehen davon aus, dass sie zu diesem Clan zugehören und Kontakt dazu haben“, erklärt Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer vom Polizeipräsidium Oberbayern Nord. Alle elf Verhafteten kennen sich – sie sind zum Teil sogar miteinander verwandt.
Die Aktion am Montag war ein wichtiger Schritt für die Ermittler: „Zum ersten Mal wurde eine sehr deutliche Beweislage geschaffen, dass es diese Strukturen in München und Oberbayern gibt“, sagt Kammerer. Jetzt kommen die Verhafteten in unterschiedliche Gefängnisse, damit sie keinen Kontakt zueinander haben. Die anderen Verdächtigen mussten wieder auf freien Fuß gesetzt werden.
Schwerpunkt der Razzia, bei der 75 Wohnungen, Büros sowie italienische Restaurants, Pizzerien und Cafés durchsucht wurden, war München. Mehr als die Hälfte aller Objekte liegt in der Landeshauptstadt. Rund ein Dutzend Lokale und zugehörige Räumlichkeiten waren betroffen – allein fünf in Schwabing.
Es sieht danach aus, dass das geschmuggelte Kokain direkt in den Lokalen verkauft worden ist. Bei den Durchsuchungen wurden allerdings keine großen Mengen der Droge gefunden. Die Polizei spricht von lediglich 250 bis 300 Gramm. Beschlagnahmt wurden 60000 Euro, zwei Autos, Munition für eine Pistole, Laptops und Handys.
Die konzertierte Aktion war lange geplant. Nach den Mafia-Morden 2007 in Duisburg – dort starben sechs Menschen – schauten die Ermittler genauer hin. Sie beobachteten Strukturen, trugen Wissen zusammen. Irgendwann konzentrierten sich die Ermittlungen auf konkrete Personen. Am Montag schlugen sie zu: 340 Polizisten waren bei der Razzia, die auch die Regionen Erding, Fürstenfeldbruck und Augsburg betraf, im Einsatz.
Für Mafia-Experten wie die Autorin Petra Reski war klar, dass München ein „traditioneller Stützpunkt“ der ’Ndrangheta ist. Allein schon wegen der Nähe zu Italien, aber auch wegen der Investitionsmöglichkeiten. Für sie ist die Razzia „ein wichtiges Signal“. „Man muss ihnen zu verstehen geben, dass sie sich nicht sicher fühlen können.“
Julia Lenders