Diethard Posorski: Familie Sprengmeister

„Es ist ein schöner Job“: Der Kampfmittelräumer über seinen Einsatz in Schwabing, das Risiko – und die Berufswahl von Opa, Vater und Sohn.
Thomas Gautier |
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„Es ist ein schöner Job“: Der Kampfmittelräumer über seinen Einsatz in Schwabing, das Risiko – und die Berufswahl von Opa, Vater und Sohn.
dpa „Es ist ein schöner Job“: Der Kampfmittelräumer über seinen Einsatz in Schwabing, das Risiko – und die Berufswahl von Opa, Vater und Sohn.

 

Diethard Posorski fährt gerade durchs Fichtelgebirge, als ihn die AZ erreicht, der Empfang ist eher schlecht. Nach einer harten Woche ist der 65-Jährige, der die Bombe in Schwabing erst entschärfen wollte und am Ende doch sprengen musste, am Donnerstagabend auf dem Weg nach Hause. Sprengmeister arbeiten zehn Stunden am Tag, haben dafür aber nur eine Vier-Tage-Woche, sagt er.

AZ: Herr Posorski, als Sprengmeister waren Sie tagelang in nächster Nähe zur Schwabinger Bombe. Nach der Sprengung: Was haben Sie da gemacht?

DIETHARD POSORSKI: Ich bin gleich ins Büro gefahren und hab' erst mal durchgeschnauft. Da fällt die Anspannung doch von einem ab. Ich bin ja Montagfrüh um vier Uhr aufgestanden, weil ich das Wochenende immer daheim im Fichtelgebirge verbringe – und dann bis Dienstagabend ohne Pause, das war schon anstrengend. Ich saß mit Kollegen zusammen, wir haben ein Bierchen getrunken und über den Einsatz geredet.

Und dann: Ab ins Bett.

Ja, aber auch im Bett beschäftigt einen das weiter. Ich habe kaum geschlafen. Am Morgen war ich wie gerädert.

Hatten Sie danach frei? Wieso?

Mittwoch war ein ganz normaler Arbeitstag! Ich musste ja Bürokram erledigen. Mitarbeiter einteilen, Berichte schreiben und so weiter. Wir sitzen ja auch sonst nicht das ganze Jahr rum und warten auf eine Bombe. Wir suchen, lagern und vernichten Kampfmittel für ganz Bayern. Da gibt's viel zu tun.

War der Einsatz besonders anstrengend?

Ja, er war anstrengend. Mehr will ich dazu aber nicht sagen.

Wie viele Bomben haben Sie schon entschärft?

Oh, einige. Ich bin seit 1964 in der Kampfmittelräumung. Ich hatte mein ganzes Leben damit zu tun, da zählt man irgendwann nicht mehr.

Kampfmittelräumer – das ist nicht der typische Traumjob eines Jugendlichen.

Ich mache das ja schon in der zweiten Generation. Mein Vater war schon vor dem Krieg bei der Wehrmacht in dem Geschäft und hat dann nach dem Krieg weiter als Feuerwerker und später als Einsatzleiter in der Kampfmittelbeseitigung in NRW in diesem Beruf gearbeitet. Ich bin daher in die Materie reingewachsen. Und ich habe sie von der Pike auf gelernt: Ich habe Maschinenbau gelernt und den Techniker absolviert und sämtliche fachspezifischen Ausbildungen ergänzt. Später als Sprengmeister und Truppführer junge Mitarbeiter für diesen Beruf angeleitet. Für mich ist das ein Traumberuf: Es macht Spaß, aber nicht wegen der Knallerei, sondern wegen der technischen Herausforderung. Als junger Mann hätte ich Maschinen bauen können, aber in der Halle! Ich bin lieber draußen.

Eine Familientradition also.

Ja. Mein Sohn ist auch Sprengmeister – bei Ihnen in München. Er heißt Martin Tietjen und hat die Bombe im Giesinger Stadion entschärft. Na ja, ist ja auch ein schöner Job. Er ist aufreibend, das schon – die Anforderungen wachsen jeden Tag. Kaum hat man die eine Sache erledigt, kommt schon der nächste Anruf, man habe ein Kampfmittel gefunden.

Lieben Sie das Risiko?

Nicht unbedingt, ich weiß mit dem Risiko umzugehen. Wenn ich etwas tue, dann mit Überlegung. Ich fahre zwar zügig Auto und sehr gerne Motorrad, aber das ist privat. Beim Kampfmittelräumen macht man einen Fehler nur einmal. Ich will mich und andere Menschen nicht gefährden.

Ist bei einem Ihrer Einsätze schon etwas schiefgegangen?

Ich selber habe immer Glück gehabt. In meinem Verantwortungsbereich gab es mehrere Unfälle. Aber die kann man nicht verhindern - das Risiko ist immer da! Kampfmittel gibt es, seit Waffen gebaut wurden. Der Erste Weltkrieg, der Zweite Weltkrieg, die Nachkriegszeit. Es gibt deutsche, alliierte Kampfmittel und nach der Wende Munition aus den Ostblockstaaten. Das ist so vielseitig! Und man muss nicht nur die Kampfmittel und deren Zünder kennen. Oft findet man nur Fragmente, bei denen man prüfen muss, ob von ihnen eine Gefahr ausgeht. Dazu muss man auch eine gehörige Portion Fantasie entwickeln.

Bekommen Sie eigentlich eine Gefahrenzulage?

Die Gefahrenzulage ist im Gehalt inbegriffen.

Sie sind 65. War die Bombe in Schwabing Ihre letzte?

Das weiß ich nicht. Zur Zeit bin ich noch zur Vertretung in München, bis mein Sohn aus dem Urlaub zurückkommt. Die Funde gehen weiter – und wir wissen, dass hier zur Zeit viel gebaut wird.

Was machen Sie jetzt in Ihrer Freizeit – so ganz ohne Bomben?

Motorrad fahren, da gehe ich jedes Jahr auf große Tour. Ich war schon in Sizilien, in Kroatien, habe die ganzen Alpenpässe befahren.

Mit Ihrer Frau?

Sie fährt nicht so gerne mit. Ansonsten habe ich meine Familie, mein Haus, einen großen Garten, Blumen, ein Treibhaus. Etwas ganz Ungefährliches.

Sie sind gerne im Freien.

Ja. Früher hatte ich eine eigene Jagd. Aber damit habe ich aufgehört. Ich hatte irgendwann nur noch Ärger mit den Grundstücksbesitzern. Die wollten Schadenersatz für Wildschweinschäden. Für die ist man ja als Jagdpächter verantwortlich. Die Wildschäden und Kosten steigen aber immer mehr. Dieses Risiko ist mir viel zu hoch geworden und nicht mehr kalkulierbar – im Gegensatz zu manchen Kampfmitteln.

 

 

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