Dieser Münchner Buchladen ist in Bayern einzigartig

Audio von Carbonatix
Am 9. September 2000 eröffnete Monika Dobler gemeinsam mit Gabriele Fauser, der Witwe des Autors Jörg Fauser, die nach einem Buchtitel von Hans Werner Klettenbach benannte Krimihandlung "Glatteis“. Gabriele Fauser starb 2008, Monika Dobler führte den Laden weiter und feiert nun Jubiläum. Rund 3500 Krimis stehen bei "Glatteis“ im Regal, doch als die AZ den Laden in der Corneliusstraße betritt, sucht Monika Dobler gedankenverlorenen in einem Kinderbuch-Wimmelbild einen Pinguin.
AZ: Nanu Frau Dobler, Sie lesen Kinderbücher?
MONIKA DOBLER: Seit die "Leselotte“ in der Reichenbachstraße geschlossen hat, habe ich auch einige Kinderbücher im Sortiment. Aber nur etwas, was meine kindliche Seele total anspricht. Der Schwerpunkt bei uns bleibt selbstverständlich der Krimi.
Das Viertel hat sich in den vergangenen 25 Jahren wahnsinnig verändert.
Viele treue Kunden aus den Anfangsjahren leben gar nicht mehr, oder mussten, als sie in Rente gingen, wegziehen, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten konnten. Manche kommen noch einmal im Jahr vorbei und kaufen Bücher auf Vorrat, aber das ist eine Minderheit.

Man kann sich die Bücher ja auch telefonisch oder online bestellen und schicken lassen.
Natürlich, aber unser Umsatz kommt zu 80 Prozent von Kunden, die den Laden betreten. Und mit der Telefonberatung ist es ein zweischneidiges Schwert.
"Letztens wurde meine Geldtasche geklaut"
Warum?
Wenn ich die Kunden kenne, dann mache ich das selbstverständlich sehr gerne, aber andere wollen nur Tipps und kommen doch niemals in meine Buchhandlung.
Beratungsklau also, wie kriminell sind denn die Kunden sonst?
Viel kam bei uns nie abhanden, es ist auch sehr übersichtlich bei uns. Aber letztens ist mir meine Geldtasche vom Schreibtisch entwendet worden. Eine Frau hatte ihren Kinderwagen neben dem Schreibtisch abgestellt, es waren auch noch andere Kunden im Laden. Die Frau ist dann schnell wieder raus. Die Sparkasse hat mir gesagt, ich müsste den Fall wegen der entwendeten EC-Karte anzeigen. Und letzte Woche bekam ich einen Anruf von einer Kommissarin und musste in der Ettstraße, so wie man es von Krimis her kennt, verschiedene Bilder anschauen. Ich meine, die Frau erkannt zu haben, aber der Fall ist leider noch nicht gelöst.
Krimibuchhandlung in Bayern einzigartig
Wie einzigartig ist Ihre Krimibuchhandlung?
In Berlin gibt es drei Krimibuchhandlungen, in Bayern nur uns. In Frankfurt gibt es "Die Wendeltreppe“, die aber inzwischen nur noch die Hälfte des Sortiments mit Krimis bestückt, die Krimi-Buchhandlungen in Stuttgart und Köln gibt es nicht mehr, die in Hamburg ändert auch ihr Sortiment.
Warum ist das Nischengeschäft schwieriger geworden?
Als wir eröffneten, waren sich viele Buchhandlungen noch zu fein, viele Krimis zu präsentieren. Diese Scham haben sie total abgelegt. Das merke ich natürlich, die Bestseller werden dann dort gekauft, nicht bei uns. Was bei mir aber richtig gut läuft, ist das Programm von kleineren Krimiverlagen, die findet man in den großen Sortimentsbuchhandlungen weniger.
Was waren denn die Bestseller am Anfang?
Henning Mankell lief damals noch sehr gut, aber vor allem Patricia Cornwell mit ihrer Gerichtsmedizinerin Kay Scarpetta und Kathy Reichs mit ihrer Forensikerin. Das waren die ganz großen Renner. Deutsche Krimis haben wir anfangs sehr wenig verkauft. Inzwischen gibt es aber auch viel bessere deutsche Autoren.
"Unbegründete Gewalt mag ich gar nicht"
Sie haben mal gesagt, die weiblichen Krimifans suchten den härteren Stoff.
Nicht unbedingt den härteren Stoff, aber Krimis mit der Psycho-Komponente, die Männer überhaupt nicht kaufen. Und ich bin da eher auf der Männerseite: Über Psychopathen, die Menschen in Streifen schneiden, quälen, foltern, lese ich nicht gerne etwas. Ich sehe keinen Sinn dahinter. Wenn die Gewalt heftig ist, aber begründet, dann halte ich das aus, ansonsten mag ich das nicht.
Woher erkennen Sie, was jemand lesen möchte, wenn er den Laden betritt?
Ich habe mich früher oft vertan, wenn ältere Damen kamen und ich denen Cozy-Crime empfehlen wollte. Also ist die erste Frage immer: "Was lesen Sie, was hat Ihnen in letzter Zeit gut gefallen?“ Darauf kann ich dann aufbauen.
Was ist denn das meistverkaufte Buch bei "Glatteis“?
Der meistverkaufte Autor ist auf jeden Fall Garry Disher. Unser "Hausautor“ Friedrich Ani hat ebenfalls viele Fans bei uns. Auch der Krimi ist Moden unterworfen, Patricia Cornwell und Kathy Reichs schreiben immer noch, sind aber kaum noch bei meinen Kunden gefragt. Dafür gehen jetzt Politthriller und Wirtschaftsthriller besser als früher. Oliver Bottini wäre hier ein Beispiel, aber auch Achim Zons. Die laufen richtig gut.

Wie wichtig ist die persönliche Beratung?
Die wird immer wichtiger, weil immer weniger Krimis in der Presse besprochen werden. Die großen Zeitungen hatten früher alle Krimikolumnen, die gibt es praktisch nicht mehr. Wir quasseln schon sehr viel mit den Kunden.
"Wenn ich den Ausstieg verpasse, war das Buch spannend"
Was hat Sie zuletzt begeistert?
"Wunder Punkt“ von Sara Paretsky fand ich sehr gut. Und ich freue mich, dass ich sie im Amerika-Haus präsentieren kann. Sie ist mir ein bisschen in den Schoß gefallen, weil sie nach Hamburg eingeladen war. Und dann ist so ein Abstecher nach München schon drin. Ich glaube, sie war zuletzt in den 90er Jahren in Deutschland.

Wie gut laufen bei Ihnen München-Krimis?
Außer Ani lief auch Martin Arzt mit seinem schwulen Kommissar Max Pfeffer sehr gut. Und Martin Oppels "Traxl und der tote Lebemann“ fand ich auch sehr empfehlenswert.
Merken Sie, dass sich Leute vor den Ferien mit Büchern eindecken?
Absolut. Die letzten zwei Juli-Wochen waren schon fast wie das Weihnachtsgeschäft. Man denkt ja immer, dass Menschen aus Platzgründen mit ihrem E-Reader verreisen, aber mir haben vor allem Männer gesagt: "Ich sitze den ganzen Tag vor dem Computer, ich möchte wenigstens im Urlaub nicht auf einen Bildschirm starren.“
Wie viele Krimis lesen Sie, um auf dem Laufenden zu bleiben?
Ich lese meist drei Krimis pro Woche. Und wenn ich auf dem Weg zur Arbeit an meinem U-Bahnhof vorbeifahre, weil ich so gepackt bin, dann ist das ein untrügliches Zeichen für ein spannendes Buch.
Wie steht es bei Ihnen um die Krimi-Klassiker?
Die laufen sehr unterschiedlich: Von Raymond Chandler oder Dashiel Hammett verkaufe ich vielleicht zwei, drei Bücher im Jahr. Sherlock Holmes und Agatha Christie gehen aber immer noch gut, das mag auch an den neuen Verfilmungen liegen. Und ich habe in den letzten Wochen zwei riesige Stapel Maigrets verkauft. Es gibt einfach Kunden, die wollen alle lesen.
Die amerikanische Krimiautorin Sara Paretsky stellt ihren neuen Roman "Wunder Punkt“ am Dienstag, 16. September 2025, um 19 Uhr im Amerikahaus vor (Karolinenplatz 3), Eintritt 15 Euro, Tickets unter eveeno.com/288666522
Geburtstagsfest mit Autor Friedrich Ani, Freitag, 26. September, 19.30 Uhr, anschließend auch draußen vor der Buchhandlung (Corneliusstraße 31) Zeit für Begegnungen. Anmeldung erbeten unter % 089/2014844
- Themen: