Diese Lebensretter-Geschichten gehen unter die Haut

München - Sie haben Menschen vom U-Bahngleis geborgen, sie aus reißenden Flüssen oder eisigen Weihern gezogen: 134 Menschen hat Ministerpräsident Horst Seehofer am Freitag für ihren besonderen Mut mit der Bayerischen Rettungsmedaille und der Christophorus-Medaille ausgezeichnet. Sie bekommen Menschen, die unter dem Einsatz ihres eigenen Lebens anderen geholfen haben.
Beim Empfang im Antiquarium der Residenz lobte der Ministerpräsident den selbstlosen Einsatz der Geehrten: „Sie sind alle leuchtende Beispiele für Mut.“ Hier können Sie einige Geschichten dieser wahren Helden nachlesen.
"Danach hatte ich weiche Knie"
Wolfgang Sperl (66) aus Bischofsheim an der Rhön saß mit seiner Frau entspannt im Reisebus nach Genua, als der Fahrer plötzlich einen Schlaganfall erlitt. „Da war erst einmal Totenstille im Bus“, erzählt der Franke. Doch als der Bus das Schlingern anfing, wusste Sperl, da muss man etwas tun. Er sprintete nach vorn zum Fahrer: „Ich bin dann unter den Fahrer gekrochen, weil der noch am Steuer saß.“ Obwohl Sperl noch nie so ein großes Fahrzeug gesteuert hat, schaffte er es, den Bus wieder auf Spur zu bringen – und zu bremsen. Gar nicht einfach, weil der Busfahrer seinen Fuß immer noch auf dem Pedal hatte. In dem Moment sei er ganz ruhig gewesen, sagt Sperl: „Danach hatte ich aber weiche Knie.“
„Auf die Hilferufe reagierte keiner“
Letitia Colaccio, Eva Hertinger und Lisa Müller (alle 14 & Schülerinnen) aus Haßfurt haben einem dreijährigen Kind das Leben gerettet. Eigentlich wollen sie nur Lisas Geburtstag nachfeiern, als sie im etwa 1,30 Meter tiefen Becken beim Rückwärtslaufen gegen einen kleinen Jungen stoßen. „Zuerst haben wir noch Witze gemacht, warum der wohl hier taucht“, erinnert sich Laetitia. Doch als sie bemerken, dass das Kind völlig regungslos ist, handeln sie sofort: „Wir haben laut um Hilfe gerufen, aber es ist niemand gekommen“, sagt Lisa.
Also ziehen sie das Kind selbst an die Oberfläche. Laetitita nimmt den bewusstlosen Jungen auf den Arm, kurz darauf kommt die Bademeisterin und reanimiert ihn. Drei Tage liegt er auf der Intensivstation, jetzt ist er wieder völlig gesund. Ihr Umfeld kann die Geschichte erst gar nicht fassen: „Manche Klassenkameraden haben uns nicht geglaubt, als wir es ihnen erzählt haben, und viele haben gesagt, sie selbst hätten sich das nicht zugetraut, so ein Kind alleine zu retten und dann rauszutragen“. Die drei Mädchen haben aus Reflex gehandelt und würden es wieder tun – allerdings hätten sie sich mehr Hilfsbereitschaft der anderen Badegäste gewünscht.
Er rettete ein Mädchen, das in Flammen stand
Benedikt Schlederer (19, Schreinerlehrling) aus Berg konnte am 12. Oktober 2013 das Schlimmste verhindern: „Wir saßen alle am Feuer und haben ein bisschen gefeiert“, berichtet er. Als ein paar seiner Freunde mit einer Flasche Benzin rumspielen, gerät die plötzlich in Brand. „Zuerst haben alle wild rumgetan, versucht sie in die Wiese zu werfen. Und dann kam das Benzin plötzlich auf Vroni“. Benedikt nimmt sofort seine Jacke und löscht die Flammen. Seine Freundin erleidet Verbrennungen an Hals und Dekolleté, ist Benedikt aber trotzdem sehr dankbar, dass er so schnell eingriff.
"Es sollte normal sein, dass Leute so etwas tun“
Sergej Klünner (26) aus München war gerade auf dem Heimweg von seiner Arbeit in einem Obdachlosenheim, als ihm in der U-Bahnstation Implerstraße auffiel, dass etwas nicht stimmt: „Ich habe von der Rolltreppe aus gesehen, da liegt jemand im Gleisbett.“ Der Mann konnte sich nicht selbst helfen: Er war blind.
„Der Mann war komplett unter Schock“, erinnert sich der 26-Jährige. Klünner sprang sofort ins Gleisbett – dass andere Zeugen bereits die Notbremse gezogen hatten, wusste er nicht: „Ich habe dann die Uhr an der U-Bahnanzeige runterlaufen sehen.“ Kein angenehmes Gefühl. Dass er für seinen Einsatz eine Medaille bekommen hat, freut ihn natürlich. Aber eigentlich findet er es fast übertrieben: „Es sollte eigentlich normal sein, dass Leute so etwas tun.“
"Die Jüngeren hatten alle Angst"
Er tat alles, um einem alten Mann das Leben zu retten: Dennis Drechsler (16, Elektriker) aus Hainach (Landkreis Aschaffenburg) war gerade in einem voll besetzten Bus auf der B22 bei Grafenkirchen unterwegs, als ein Pkw einen Lkw überholen will und dabei in eben diesen Bus hineinrammt. Beherzt öffnet er die Bustüren und sieht, dass das Unfallauto in Flammen steht. „Das habe ich natürlich sofort gelöscht“, erzählt er. „In dem Bus waren lauter Jüngere, die alle Angst hatten, und die Betreuer mussten sich um sie kümmern.“
Dennis ist selbst bei der Feuewehr und kennt sich mit Gefahrensituationen aus – für den Fahrer des Autos, einen älteren Herren, kann er nichts mehr tun. Er hätte sich Unterstützung gewünscht: „Alle sind einfach vorbeigefahren.“
Tauchgang bei Nacht
Markus Kellner (34) aus Sinzing hat zwei Personen aus einem gesunkenen Fahrzeug in der Donau befreit. Ohne zu zögern taucht er mitten in der Nacht mehrmals hinab und öffnet nacheinander beide Türen, so dass die Fahrerin und ihr bewusstlos gewordener Beifahrer entkommen können. Nach einer Woche im Koma kann der Mann seinem Retter danken.
Der Held vom Königssee bleibt ganz bescheiden
ichael Tagirow (20) wollte sich eigentlich einen ruhigen Abend am Königssee machen: Mit einer Freundin hatte er es sich am Ufer gemütlich gemacht, es war Oktober, kalt und windig. Dann bemerkte er etwas auf dem Wasser: „Es sah aus wie eine Boje, die immer wieder auftaucht.“ Doch der Markt Schellenberger weiß: In diesem Seeabschnitt gibt es keine Bojen. Er schaute also noch mal genauer hin und sah: In dem Wasser war ein vierjähriger Bub, der verzweifelt immer wieder in die Höhe sprang, weil das Wasser ihm bis zum Scheitel steht.
Tagirow hechtete sofort in das 13 Grad kalte Wasser und rettete den Jungen, der fast schon ohnmächtig war. Auch für den Retter waren die Wassertemperaturen eine Herausforderung: „Ich habe gezittert, und mein Handy war auch in der Hosentasche, aber das war mir wurscht“, sagt der junge Mann, der daheim längst als „der Held vom Königssee“ bezeichnet wird. Er selbst ist aber ganz bescheiden: „Das war eine ganz normale Handlung."
Roxana (18) zieht vier Kinder aus dem Weiher
Roxana Wolf (18), Schülerin aus Ingolstadt dachte sich erst gar nichts, als sie im Februar durch einen verschneiten Park ihrer Heimatstadt spazierte. Die vier im Eis eingebrochenen Kinder sah sie erst gar nicht: „Ich habe Musik gehört und die Schreie der Kinder erst gar nicht gehört“, erinnert sich die hochgewachsene Schülerin. Die drei 10 und 12 Jahre alten Mädchen hatten einem 6-jährigen Buben helfen wollen, der durch die dünne Eisdecke auf dem Hetschenweiher eingebrochen war – das Eis hielt sie aber selbst nicht aus.
Als Roxana die verzweifelten Kinder schließlich sah, zögerte sie keine Sekunde: „Ich bin einfach hingelaufen und hab meine Hand hingehalten.“ Mit großem Kraftaufwand zog die 18-Jährige die bibbernden Kinder aus dem Weiher. Daran gedacht, dass sie selbst im kalten Wasser hätte landen können, hat sie nicht: „Ich habe einfach reflexartig gehandelt. Die Kinder waren verängstigt und froh, als sie wieder draußen waren.“ Dass Helfer eine Anerkennung bekommen, freut sie. Etwas stolz ist sie natürlich auch – zu Recht.
Nach Sturz gerettet
Die beiden Soldaten Patrick Plitt (27) aus Kranenburg und Rene van Aken (26) aus Neubiberg Freude sich über ein besonderes Wiedersehen: Die 70 Jahre alte Britin Betty, die Plitt und van Aken im Arenzano-Gebirge nach einem Sturz gerettet hatten, war extra nach München eingeflogen, um ihre „tapferen Soldaten“ wiederzusehen. Die Bundeswehrler hatten sie erstversorgt und die Bergrettung verständigt.
In Sekunden gehandelt
Die Allacher Realschüler Oliver Kiraga (16) und Arbon Binaku (16) wurden „ganz spontan“ zu Helden, sagen sie. Es war nachts, als die beiden bei der U-Bahn Olympia-Einkaufszentrum einen Mann im Gleisbett entdeckten. Die beiden zogen den hilflosen Mann zu einem schmalen Betonband am Tunneleingang. Kurz darauf fuhr die U-Bahn ein. „Zwei Minuten später und wir wären tot gewesen“, sagt Arbon.
Sie holt einen Mann zurück ins Leben
Jeden Abend fährt Jamina Müller (22, Produktionshelferin) an den Bahngleisen ihrer Heimatstadt Lauingen vorbei – am 7. Januar 2014 bemerkt sie einen Mann auf den Gleisen. Er will sich das Leben nehmen. „Er fragte immer wieder: ,Was für einen Grund gibt es denn noch zu leben?‘. Das Erste, was mir einfiel, war: ,Wir haben heute so schönes Wetter‘“, sagt Jamina. Ein Argument, das den Mann überzeugt. Als der Zug einfährt und er sich nicht bewegt, zieht Jamina ihn vom Gleis – und er hilft sogar mit.
Sie befreit Mutter und Kind
Eigentlich ärgert sich Kirstin Raithel (23, Krankenpflegerin) aus Lichtenfels nur über den Lärm aus ihrer Nachbarwohnung. Doch dann sieht sie dicke Rauchschwaden aus dem Fenster der 23-jährigen Nachbarin und ihres einjährigen Kindes ziehen. Auf einer morschen Leiter klettert sie nach oben. „Ich habe zu dem Kind gesagt: ,Mach es wie ein Koala‘, dann hat es sich an mir festgehalten und ich bin mit dem Kind die Leiter runtergestiegen.“
Anschließend rettet sie auch die Mutter. „Sie hat mir einen Dankesbrief geschrieben. Da habe ich sogar ein wenig geweint.“