Die Zuagroastn kommen: 250 000 neue Münchner
Die meisten stammen aus Oberbayern, Franken, aus dem Osten und aus Nordrhein-Westfalen. Die AZ erklärt die Prognosen – und warum Münchens Speckgürtel immer dicker wird.
München - Mehr Jobs, mehr Chancen, bessere Ausbildung – und viel mehr Menschen. 2025 werden rund 250 000 Menschen mehr als heute bei uns leben – sowohl in der Stadt als auch im Umland mit den Landkreisen München, Ebersberg, Starnberg, Landsberg am Lech, Fürstenfeldbruck, Dachau, Freising und Erding. Das ist so, als wenn die Hälfte aller Nürnberger sich entschließt, nach München zu ziehen. Allmächd.
250 000 – diese Größenordnung nennen gleich drei aktuelle Studien, die sich mit den Zuagroasten und Neu- Münchnern von morgen beschäftigen – mit kleinen Unterschieden. Das Bayerische Landesamt für Statistik rechnet mit 273 900 Neuen bis 2025, die Bertelsmann-Stiftung mit 265 700. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hat 254 000 errechnet.
Münchens Speckgürtel wird fetter. Was das Stadtgebiet mit heute 1,33Millionen Menschen angeht, sind sich die Experten dagegen uneins: Das Landesamt nennt 140 000 Neue, Bertelsmann 152 000, das BBSR nur rund 35 000.
Der Autor der BBSR-Studie, Claus Schlömer, sagt warum: „Die Frage, wo sich die Zuwanderer niederlassen, ob innerhalb oder außerhalb der Stadtgrenze, ist die schwierigste. Hier gehen Prognosen sehr weit auseinander. Wir vom BBSR rechnen damit, dass die meisten Zuwanderer und künftigen Münchner Eltern ins Umland ziehen werden – andere Studien tun das nicht.“
Schlömers Arbeit ist nicht einfach. Für seine Studien muss er Dutzende Faktoren berücksichtigen: Aktuelle wie die momentane Bevölkerungszahl, das Alter der Menschen, die Todes- und Geburtenzahlen und die Zahl der Zuwanderer. Auf dieser Basis rechnet er die Zukunft aus. Auf die Plusseite kommen junge Zuwanderer zwischen 20 und 30 (die meist in die Stadt ziehen), künftige Geburtenraten, die Schlömer anhand der Zahl der Frauen zwischen 15 und 45 – die Mütter von morgen – ausrechnet. Wie viele Zuwanderer kommen, leitet Schlömer aus Erfahrungswerten heraus.
Schlömer kann sogar eingrenzen, woher die Neuen kommen: „Es gilt die Regel: Je näher, desto eher – also kommen viele aus dem Umland. Binnenwanderungen gehen selten über große Entfernungen.“ Weitere Gegenden seien Nordbayern, Südsachsen, Thüringen. Aber auch Nordrhein- Westfalen, „weil dort einfach die meisten Bundesbürger leben“.
Aufs Saldo schlägt Schlömer die zu erwartenden Todesraten und die Zahl der Menschen, die wegziehen werden. Schlömer rechnet auch aus, wie viele Menschen in 15 Jahren um die 40 sind. „Das sind die zukünftigen Eltern von morgen, die mit ihrer Familie oft ins Grüne ziehen.“ Für neue Familien wäre im Osten der Republik jede Menge Platz: Immer mehr verlassen in den nächsten 14 Jahren die neuen Bundesländer, die Zahl der Geburten sinkt dort drastisch. Längst kämpfen manche ostdeutsche Gemeinden gegen die Verödung. Experten rechnen mit einem Bevölkerungsschwund von über zehn Prozent, in manchen Gemeinden wie dem oberfränkischen Wunsiedel gar über 20,9 Prozent. Der Grund: Junge Menschen sehen dort keine Zukunft. Die suchen sie anderswo. Vor allem in München.
Ledig, jung, aus dem Osten: Karolina K. erfüllt die klassischen Zuagroastn-Kriterien.
München - Sie suchte bessere Möglichkeiten – und fand sie in München: Karolina K. aus Halle/Saale (Sachsen-Anhalt) kam mit 21, studierte an der Filmhochschule (HFF) und arbeitet jetzt in einem großen Medienunternehmen. K. ist die typische Zuagroaste – ihre Merkmale:
Ihr Alter: 26. Sie kam mit 21 nach München. 20- bis 30-Jährigemachen laut Statistischem Amt der Stadt rund 40 Prozent der Neuen aus.
Ihre Herkunft: Aus Karolinas strukturell weniger stark aufgestellter Heimat Sachsen- Anhalt, aber auch aus Sachsen und Thüringen, kommen seit Jahren viele Zuwanderer. Ebenfalls stark vertreten sind in München Menschen aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland: Nordrhein-Westfalen. Viele stammen auch aus Nordbayern und dem Münchner Umland.
Ihr Wohnort: Die meisten Neuen lassen sich in der Stadt nieder, meist entlang des Mittleren Rings oder nah an den Unis. Karolina zog nach Obergiesing, laut Statistischem Amt seit Jahren bei Zuwanderern äußerst beliebt.
Ihr Familienstand: ledig. Wie bei rund 64 Prozent der Zuagroastn der letzten Jahre.
Ihre Erwartungen: Gute Unis, gute Jobs – auch bei Karolina: „Ein Studium an der Münchner Filmhochschule bot mir die besten Möglichkeiten, und der Medienstandort München macht Berlin viel Konkurrenz. Ich kenne viele, die deshalb bald hierher kommen wollen.“
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