Die Welt im Kleinen

Vom turnenden Teddybär bis zum musizierenden Schwein, vom Mini-Pfarrer bis zu Barbie: Seit 25 Jahren lockt das Spielzeugmuseum im Alten Rathausturm.
Trunkenbolde, Barbies, Kaufläden, alles im Kleinformat. Wir sind? Im Spielzeugmuseum im Alten Rathausturm, das im Dezember 25 Jahre alt geworden ist.
Womit anfangen? Mit dem Jugendstil-Kaufladen, in dessen winzige Schubladen „Zimmt“ gefüllt gehört oder „Sago“ oder „Hirse“? Mit dem netten Tellermädchen aus Frankreich, das man aufziehen kann – und dann fallen ihm alle Teller runter? Oder lieber mit dem musizierenden Schwein, bezogen mit Hirschleder, aus Paris (1180), das einem Ivan Steiger zum Schluss noch zeigt? Steiger? Hat all diese Spielsachen, diese ganze Welt im Kleinen gesammelt, in 40 Jahren, dies ist sein Museum. Er sagt: „Altes Spielzeug ist Kunst für Kinder“. Und mehr als ein Steckenpferd für ihn; seine Begeisterung über einzelne Ausstellungsstücke ist ungebrochen, und diese Begeisterung teilt er einem auch mit.
Ivan Steiger, gebürtiger Prager, hat auf der Filmakademie unter Milan Kundera studiert. 1968 kam er nach München, das heißt, er musste nach München fliehen. „Ich war auf der Verhaftungsliste Nummer 16“. Arbeitete bald als Karikaturist, Maler, landete wieder beim Film, und dann brauchten sie, in den 70er Jahren, für „Stille Post“ einen Organisten aus Blech. Steiger machte sich auf die Suche, auf Flohmärkten.
Mit einem Geiger aus Blech wurden die Steigers zu Sammlern
Fand den Organisten. Fand aber auch: einen Geiger mit einem Bären, ebenfalls aus Blech, mit Handkurbelantrieb. „Der poetische Geiger mit rabenschwarzem Haar (...) war der Beginn unserer stürmischen Sammlerleidenschaft. Schnell ist er in unserem Herzen zu einem Meisterwerk geworden...“, schreiben Steiger und seine Frau Eva in ihrem Bildband über Spielsachen, Titel: „Kinderträume“. Viele, viele Meisterwerke folgten nach, wie viele eigentlich in all der Zeit?
„Zehntausende, wozu das zählen“, sagt Steiger, es ist ja nicht einmal alles ausgestellt. Der älteste Teddy von 1904 zum Beispiel: im Tresor. Das Museum hat inzwischen auch eine Zweigstelle, im Prager Hradschin. Und überhaupt, Statistiken – braucht doch keiner. Wie viele Besucher sich sein Museum in München schon angesehen haben seit der Eröffnung? „Manchmal ist es proppenvoll, manchmal leer“. Mehr interessiert Steiger nicht.
Derweil erzählen ja Spielsachen auch (eine) Geschichte und spiegeln den jeweiligen Stand der Technik wider. Kriegsbegeisterte Jahre waren, erstmals unter Friedrich dem Großen, Hoch-Zeiten für Zinnsoldaten; die Dampfmaschine, soeben erfunden, gab’s auch schnell in Klein ab 1875; die Zeit des Imperialismus draußen war dann auch die Zeit des Spiels mit wilden Plastiktieren und wilden Plastikmenschen drinnen – wie sie bis 1983 gefertigt wurden bei Hausser-Elastolin bei Stuttgart.
So wurden manche Orte bald Synonyme für bestimmte Spielsachen. Zentren für Holzspielzeug in Deutschland waren Sonneberg in Thüringen, das Grödnertal bei Böhmen, ansonsten Oberammergau und das Berchtesgadener Land; das beste Blechspielzeug fabrizierte bis Ende der 40er Jahre die Firma Lehmann in Brandenburg.
Eine "Riesen-Rarität": "Vater und Sohn" zum Aufziehen
Womit weitermachen? Mit dem Altar von 1890, gefertigt für den Geistlichen im Kind mit Mini-Kelchen, Monstranzen, Räucherfässchen und Kruzifixen aus Zinn und diversen Ornaten für den Mini-Pfarrer zum Anziehen? Mit den Barbies aus der ersten Serie, die damals noch buttermilchfarbenen Teint hatten, Kräuselpony und Pferdeschwanz trugen und die im März 50. Geburtstag feiern? Mit dem Nürnberger Putzladen von 1815 und seinen 110 winzigen Stoffballen, Bügeleisen, Hütchen, Preislisten? Oder lieber mit der „Riesen-Rarität“, dem „Vater und Sohn“ von e.o.plauen zum Aufziehen?
Man kann im Spielzeugmuseum ziemlich viel Zeit verbringen. Man kann über Spielsachen lange reden. Drei Bücher haben Eva und Ivan Steiger geschrieben zu ihrem Lieblingsthema, mehrere Filme darüber gemacht, 19 Mal damit die ZDF-Weihnachtssendung „Wir warten auf das Christkind“ bestritten. Womit er, Steiger, eigentlich als Kind gespielt hat? „Meine Lieblingsstelle war unter dem Tisch, wenn die Mutter gebügelt hat. Das war mein Häuschen, und da war ein Hocker, meine Kanone.“
Draußen wieder: das Klangmobile. Und die Welt im Großen. Andrea Kästle
Spielzeugmuseum im Alten Rathausturm, Marienplatz 15, Tel. 2 71 19 69, geöffnet täglich von 10 bis 17.30 Uhr. Kinder zahlen 1, Erwachsene 3 Euro Eintritt.