Die Ware Frau: Hilfe für Sex-Sklavinnen

Zwangsprostitution, Ausbeutung und Heirat gegen ihren Willen: Seit 10 Jahren hilft Jadwiga Frauen, die in die Fänge der Mafia geraten sind – 2010 waren es allein in München 70 Fälle
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Prostituierte wartet auf Freier
dpa Prostituierte wartet auf Freier

MÜNCHEN - Zwangsprostitution, Ausbeutung und Heirat gegen ihren Willen: Seit 10 Jahren hilft Jadwiga Frauen, die in die Fänge der Mafia geraten sind – 2010 waren es allein in München 70 Fälle

Tanja (23) kommt aus einem Dorf in Russland. Dort wurde ihr von ein paar Männern ein Job in einer Münchner Bäckerei versprochen. Sie brauchte dringend Geld, um Schulden zu bezahlen. Ihre Eltern sind krank. Doch in München wurde sie sofort zu einem Freier gebracht. Tanja musste jeden Tag mit zehn Männern schlafen. Mindestens.

Tanja hatte Angst, die Bande könnte ihrer Tochter und ihren Eltern daheim etwas antun. Sie floh nicht, ein Jahr dauerte ihr Martyrium. Erst dann wurde sie bei einer Polizeikontrolle festgenommen – ihr Pass war gefälscht. Die Beamten brachten sie zur Beratungsstelle Jadwiga, die sich um Opfer von Frauenhandel kümmert. Der Sozialarbeiterin vertraute Tanja sofort. Die sprach russisch, gab ihr etwas zu essen, Kleidung und ein Bett.

Alle Mitarbeiterinnen von Jadwiga sprechen mehrere Sprachen. „Wenn eine Beraterin der verängstigten Frau in ihrer eigenen Sprache sagt, dass wir uns um sie kümmern, dann kann sie Ruhe finden“, sagt Juliane von Krause, Geschäftsführerin von Jadwiga. Rund 70 Frauen haben die Sozialarbeiterinnen 2009 in München betreut. Etwa 40 waren wie Tanja Opfer sexueller Ausbeutung, die anderen mussten schuften bis zum Umfallen oder sollten gegen ihren Willen verheiratet werden. Seit zehn Jahren gibt es Jadwiga in Bayern – 2000 waren es noch 40 Frauen. Viele Betroffene fand die Polizei in Nordbayern. Auch in Hof und Nürnberg gibt es mittlerweile Beratungsstellen.

In den ersten Jahren kamen die meisten Frauen aus Russland und Polen, heute ist der Großteil aus Rumänien und Bulgarien. „Die Frauen sind besonders gefährdet, wenn sie in einer wirtschaftlichen Notlage sind“, sagt Monika Cissek-Evans, Sozialarbeiterin und Gründungsmitglied von Jadwiga.

Ein extremer Fall erschütterte München im Dezember: 17 Monate lang wurde eine Chinesin als Sexsklavin festgehalten. Sie war am Asylbewerberheim in der Baierbrunnerstraße angesprochen worden, man lockte sie mit einer seriösen Arbeit. Monika Cissek-Evans sagt: „Normalerweise werden die Frauen nicht so lange festgehalten.“

Wer sind die Täter? „Die Frauen werden Opfer sowohl von Einzeltätern als auch der organisierten Kriminalität“, sagt Bernhard Feiner, Leiter des Kommissariats Menschenhandel und illegale Prostitution. „Die Ermittlungen im Fall der Chinesin sind besonders schwierig, das Milieu der chinesischen Mafia ist besonders unzugänglich.“

Doch selbst wenn Täter ermittelt werden, haben die Opfer weiter Angst: „Viele Frauen trauen sich nicht vor Gericht, wenn es zur Anklage kommt“, sagt Monika Cissek-Evans. Tanja traute sich, vor Gericht gegen die Täter auszusagen. Davor hatte sie nächtelang Albträume. Die Männer konnten verurteilt werden. Tanja lebt heute an einem geheimen Ort.

Veronica Frenzel

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