Die Shopping-Schlacht
MÜNCHEN - Kurz vor Heiligabend stürmen die Münchner die Innenstadt: Sie kaufen bei Dallmayr an zwei Tagen 500 Kilo Lachs, stürmen Kustermann und Hugendubel und stehen Schlange für die Gans
Scheibe klatscht auf Scheibe, auf dem Zellophan stapelt sich die Wurst: niederbayerisches Geräuchertes, Bündner Fleisch, Aufschnitt. Beste Ware, leckerstes Fleisch, und doch blickt die Verkäuferin in lange Gesichter. Sie hobelt und schichtet schneller, es langt trotzdem nicht. Es sind einfach zu viele.
Einen Tag vor Heiligabend sind die Hallen von Dallmayr verstopft: Zwischen Türmen von Terrinen und Bergen von Shrimps-Salat stehen hunderte Kunden in Lodenmänteln, Lederschuhen, Krawatten, Hüten und mit Perlenketten: Alle haben sich fein gemacht für den letzten Ansturm und drücken gegen die gläsernen Ablagen. Dahinter liegen Häppchen auf Silbertabletts in Reih und Glied, wie Soldaten vor der Schlacht. Manche Kunden kriegen kaum die Hand aus der Jackentasche. Andere atmen schwer. Oder sie stöhnen, weil hinter ihnen neue Kunden drücken: „Uff“, sagen sie, und: „...ich komme nicht zum Schinken...“. Oder: „...raus hier...“, sowie „...Oh Gott, wir kriegen nichts mehr...“
Je näher das Fest rückt, umso länger werden die Schlangen vor den Läden
Der 23. Dezember ist einer der umsatzstärksten Tage des Jahres. Ladenchef Christian Bär schätzt, dass rund 20000 Menschen durch das Nobelgeschäft laufen. „Ein unglaublicher Ansturm, so etwas habe ich noch nie erlebt“: Bär hat alle 120 weiß-blau gewandeten Verkäufer in die Hallen geschickt, an starken Tagen arbeiten hier sonst 80. Sonderschicht für alle, acht Köche hobeln alleine an Lachsen, die später eingeschweißt verkauft werden. Der Lachs ist ein Riesenhit: In den letzten zwei Tagen gingen 500 Kilo weg.
Kurz vor Weihnachten haben die Münchner scheinbar nur eins im Sinn: Die Stadt leerkaufen – vor allem Essen, weil die Läden in diesem Jahr an drei Tagen zu sind. Am Viktualienmarkt stehen die Kunden vor den Metzgereien und den Geflügel- und Wildstandln Schlange und warten geduldig auf die Weihnachtsgans. Beim Kustermann gegenüber sind ganze Regale leer: Back- und Plätzchenformen – weg. Terrinen – weg. Wecker – geplündert. „Und die Keksdosen waren gleich ausverkauft, der Wahnsinn“, sagt Geschäftsführer Gerald Funk. Er hat nachbestellt – in diesen Tagen würde man ihm Ostereier aus den Händen reißen.
Kein Einbruch bei den Umsätzen - die sind genauso hoch wie im Vorjahr
Die Fußgängerzone ist schwarz von Mänteln, im Saturn stehen sie mit Fernsehern, DVDs und anderer Elektronik im Arm in 150 Meter langen Schlangen – und es wälzen sich immer mehr Kunden rein. Die Menschentraube vorm Hugendubel ist so dick wie „Krieg und Frieden“, innen sieht man die Romane vor lauter Kunden nicht.
Alle sind am Ende, alle sind glücklich: „Unsere Erwartungen haben sich erfüllt“, sagt Bernd Ohlmann vom Bayerischen Einzelhandelsverband. Die Umsätze seien so hoch wie im Vorjahr. Und nach Weihnachten geht’s weiter, dann lösen die Münchner ihre Gutscheine ein. Bescherung total – jedenfalls für die Händler.
Thomas Gautier
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