Die Schwabinger Radl-Mafia

MÜNCHEN - Das Reisebüro wirkte sehr dubios – nun hat die Polizei es durchsucht und gestohlene Luxus-Räder gefunden. Sie wurden nach Rumänien geschickt, die teuren Ersatzteile dann im Internet verkauft
Tag und Nacht herrschte Hochbetrieb in dem kleinen Reisebüro am Wartburgplatz. Zwielichtige Gestalten mit osteuropäischem Zungenschlag hätten das Geschäft bevölkert, berichten Anwohner. Man habe geahnt, dass im Erdgeschoss nicht nur mit Pauschalreisen gehandelt würde. Auch über Deals mit Drogen, Waffen oder gar Menschen wurde gemunkelt.
Tatsächlich waren es aber Fahrräder, mit denen hier illegale Geschäfte getrieben wurden. Das steht seit Mittwoch fest. An diesem Tag durchsuchte die Polizei das Schwabinger Unternehmen. Die Aktion erwies sich als Volltreffer. Das Büro diente als Umschlagplatz für gestohlene Münchner Luxus-Fahrräder. Das Reisebüro schickte vornehmlich Münchner Radl in den Urlaub – und zwar gen Rumänien.
Laut Polizei wurden im gesamten Stadtgebiet Fahrräder gestohlen und nachts beim Reisebüro abgeliefert. Dort wurden die Räder zerlegt, verpackt und verschickt.
Die Polizei geht von über 100 Fällen aus. Bei der Durchsuchung der Geschäftsräume wurden etliche Aktenordner mit Lieferscheinen mit dem Ziel Rumänien entdeckt. Zwischen Siebenbürgen und Bukarest wurden die Einzelteile der Luxus-Radl dann zu Geld gemacht. „Womöglich wurden die hochwertigen Teile über das Internet wieder zum Kauf angeboten“, sagt ein Polizeisprecher.
Der 23-jährige Geschäftsführer des Reisebüros und zwei weitere Männer im Alter von 29 und 33 Jahren sind die mutmaßlichen Paten der Radl-Mafia. Wie funktionierte ihr illegales Geschäft?
Ein Mitglied des Gangster-Trios hat bereits gesungen. Er gestand, etliche gestohlene Räder aufgekauft zu haben. Im ganzen Stadtgebiet sollen Diebe für ihn auf Tour gegangen sein und anschließend ihre Beute im Reisebüro abgeliefert haben. Bei der Razzia am Mittwoch erwischte die Polizei sogar einen Dieb in flagranti. Als die Beamten das Geschäft stürmten, schnürte der gerade ein neues Päckchen mit Fahrradteilen.
Eine Hausbewohnerin sagt: „Das waren aggressive Leute, wir hatten uns bei den Vermietern beschwert, aber die haben nicht reagiert.“ Eine Hausbewohnerin soll von den diebischen Mietern sogar bedroht worden sein. Nun atmet man am Wartburgplatz 6 wieder auf. Eine Anwohnerin: „Ich hoffe, sie machen die Bude da unten jetzt endgültig dicht, das war unerträglich für uns.“ Immerhin: Ihr eigenes Fahrrad sei nicht geklaut worden. Reinhard Keck