Die Schäffler zu Gast bei Frau Schäffler (100)

Die Seniorin mit sechs Enkeln und elf Urenkeln wünscht sich zu ihrem Geburtstag einen Auftritt der Namensvetter – und bekommt ihn auch. Eine Münchner Geschichte.
Timo Lokoschat |
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Ein großer Moment für Anna Schäffler: Die 100-Jährige Münchnerin vor ihrem Haus.
2 Ein großer Moment für Anna Schäffler: Die 100-Jährige Münchnerin vor ihrem Haus.
Ein tanzender Schäffler: das Firmenlogo des Familienunternehmens.
privat 2 Ein tanzender Schäffler: das Firmenlogo des Familienunternehmens.

Die Seniorin mit sechs Enkeln und elf Urenkeln wünscht sich zu ihrem Geburtstag einen Auftritt der Namensvetter – und bekommt ihn auch. Eine Münchner Geschichte

MÜNCHEN - Als diese Anfrage per E-Mail eintrudelt, denken die Schäffler zunächst an einen Scherz: Für Frau Schäffler tanzen? Tzz. Zu ihrem 100. Geburtstag? Schon klar.

Doch ein Anruf bei der Familie ergibt: Die Geschichte stimmt! Anna Schäffler, ein Jahrhundert alt, wünscht sich zu ihrem Geburtstag einen ganz persönlichen Tanz.

Und so fahren die Schäffler am vergangenen Montag zu Frau Schäffler in die Laufzorner Straße nach Harlaching. Um 18.30 Uhr geht’s los. Die 100-Jährige nimmt auf einem Sessel vor dem Haus Platz, hüllt sich in eine Decke – und genießt die Schau! Sieht den Vortänzern zu, den Fassschlagern, den Spaßmachern und den Reifenschwingern. Wippt im Takt und kann sich ein Lachen nicht verkneifen.

Am Ende bekommt sie noch eine schwarze Nase verpasst – die erinnert an die Ursprünge der Schäffler, die einst die Münchner während der Pest aufheitern wollten.

Die Plage hat Anna Schäffler zwar zum Glück nicht mitgemacht – aber sonst eine ganze Menge: Als die Münchnerin am 20. Februar 1912 geboren wird, regiert in Deutschland noch Kaiser Wilhelm II., die „Titanic” geht unter, in Stockholm finden die 5. Olympischen Sommerspiele statt, Holstein Kiel wird Deutscher Fußballmeister und Gerhard Hauptmann bekommt den Nobelpreis für Literatur.

Ereignisse, die die Welt bewegen oder zumindest Deutschland. In Nymphenburg und Pasing muss sich die junge Familie derweil mit anderen Problemen beschäftigen. Dem Überleben. 1913, mit nur einem Jahr, verliert Anna Schäffler ihren Vater, ihre Mutter wird mit 18 zur Witwe. Der Krieg bricht aus. Harte Jahre brechen an.

Anna Schäffler kann trotzdem das Lyceum besuchen, wird nach der Schule Hauswirtschaftslehrerin und heiratet 1939 ihre große Liebe, den Münchner Geschäftsmann Fritz Schäffler. 1941, 1946 und 1950 kommen ihre Töchter zur Welt. Gemeinsam bauen sie das Bedachungsunternehmen Schäffler – 1876 gegründet – zu einem der Branchenführer in Oberbayern aus.

Als Anna Schäffler 59 ist, verliert sie ihren Mann – die Kinder übernehmen das Unternehmen, führen es heute in fünfter Generation. Im Firmenlogo: ein tanzender Schäffler.

„Meine Oma hat sechs Enkel und elf Urenkel”, berichtet Enkel Albrecht Walther der AZ. „Sie fuhr bis fast 90 Auto – auch nach Salzburg zu den Festspielen – und kochte bis vor einigen Jahren täglich für unsere Großfamilie.” Einer ihrer Sprüche sei gewesen: „Kinder san zwar recht teuer, aber dafür hat mas recht lang.”

Vor 35 Jahren tanzen die Schäffler schon einmal vor dem Haus der Seniorin – damals feiert sie ihren 65. Geburtstag. Nach dem Auftritt am Montag – einem der letzten für die nächsten sieben Jahre – winkt Anna Schäffler ihre versammelte Familie zu sich. Und sagt leise und zufrieden diesen Satz: „Das rundet alles ab.”

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