Die neue Knast-Chefin: "Auch hinter Gittern menschelt es"

In Stadelheim hat jetzt – zusammen mit Anstaltsleiter Michael Stumpf – eine Frau das Sagen: Mariona Hauck (44) ist Juristin und hat bereits Erfahrung hinter Gittern. Das Interview.
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Mariona Hauck ist neue Vize-Chefin in Stadelheim.
Nina Job Mariona Hauck ist neue Vize-Chefin in Stadelheim.

In Stadelheim hat jetzt – zusammen mit Anstaltsleiter Michael Stumpf – eine Frau das Sagen: Mariona Hauck (44) ist Juristin und hat bereits Erfahrung hinter Gittern. Das Interview.

München – In Bayerns größtem Gefängnis, von Häftlingen auch "St. Adelheim" genannt, weht ein neuer Wind. Seit ein paar Tagen heißt die neue Vize-Chefin Mariona Hauck. Die 44-Jährige ist mit einem Rechtspfleger verheiratet und hat zwei Söhne. Bis 2009 leitete sie das Münchner Frauengefängnis. Danach ging sie ins Justizministerium, wo sie sich zuletzt als Sicherheitsreferentin mit der Radikalisierung von Muslimen in Haft beschäftigte. In ihrem neuen, riesigen Büro mit Blick auf die "Fahrzeugschleuse" in der Gefängnismauer empfing sie die AZ zum Interview.

Frau Hauck, wie wird man Vize-Chefin von einem Gefängnis?
MARIONA HAUCK: Ich war erst Rechtspflegerin, dann habe ich noch Jura studiert. Während meines Referendariats hat mir eine Kollegin aus dem Vollzug von der Arbeit vorgeschwärmt. Das hat mich sehr neugierig gemacht – und das war dann auch genau die richtige Entscheidung für mich. Ich habe noch keinen einzigen Tag bereut. Direkt nach dem Studium habe ich eineinhalb Jahre in einer Zivilrechtskanzlei gearbeitet. Sie wirken, als ob Sie Ihre Arbeit mit Herzblut machen. Es ist eine wahnsinnig spannende und abwechslungsreiche Aufgabe. Man arbeitet jeden Tag mit Menschen zusammen und die Themen sind vielfältig: Jura, Organisation, Personalangelegenheiten, Sicherheitsfragen, Haushalt, Bauprojekte. Mir ist nie langweilig.

Wird in den Zellen gejohlt und gegen die Gitter getrommelt, wenn Sie mal draußen am Männertrakt vorbeigehen?
Nein, die kennen mich inzwischen. Das Klischee erfüllen die Häftlinge nur, wenn sehr junge Besucherinnen vorbeigehen.

Die meisten Häftlinge sind Männer. Können Sie sich frei bewegen im Gefängnis oder müssen Sie als Frau mehr geschützt werden als ein männlicher Kollege?
Nein, da gelten für Frauen und Männer die selben Bestimmungen. Ein Mann kann genauso als Geisel genommen werden. Seit vergangenem Jahr tragen alle JVA-Bediensteten ein Funkgerät mit Alarmknopf bei sich. Es löst unter bestimmten Bedingungen auch automatisch aus.

Haben Sie mal unangenehme Erfahrungen mit Häftlingen gemacht?
Normalerweise fühle ich mich sicher. Aber es gab mal eine Situation, das war in einer Sprechstunde. Ich war zusammen mit einer Kollegin und einem Häftling in einem Raum. Er war extrem aggressiv, weil wir ihn in eine Gemeinschaftszelle gelegt hatten. Die Situation drohte zu kippen. Aber schließlich haben wir es doch geschafft, ihn durch Reden zu beruhigen.

In Stadelheim landen auch Männer aus anderen Kulturkreisen, die sich normalerweise kaum etwas sagen lassen würden von einer Frau. Wie reagieren die auf Sie?
Das bekommen die schon mit, dass Sie sich von mir was sagen lassen müssen.

Sie haben sich im Justizministerium mit der Radikalisierung von Muslimen in Haft beschäftigt. Wie lässt sich eine Radikalisierung verhindern?
Unsere Bediensteten sind sensibilisiert, entsprechende Hinweise bei den Gefangenen im täglichen Umgang nach Möglichkeit zu erkennen. Wir stehen in engem Austausch mit den Ermittlungsbehörden und vor allem mit dem Landesamt für Verfassungsschutz. Wichtig ist es aber zudem, den Gefangenen mit geeigneten Behandlungs- und Betreuungsangeboten Handlungsalternativen und Perspektiven für die Zeit nach der Entlassung aufzuzeigen. Das können sozialpädagogische und psychologische Gruppenmaßnahmen und Einzelgespräche, schulische und berufliche Aus- und Fortbildungsangeboten und sozialtherapeutischen Maßnahmen sein.

Gibt es auch schöne Erlebnisse im Gefängnis? Oh ja. Es menschelt ja auch bei uns. Mit Jugendlichen erleben wir oft sehr nette Sachen. Ein besonderer Tag ist es immer, wenn junge Häftlinge ihren Hauptschulabschluss geschafft haben und bei uns ihr Zeugnis bekommen. Das ist für viele das erste Mal in ihrem Leben, dass ihnen etwas gelungen ist. Sie sind dann so stolz und voller guter Vorsätze, da ist man selber ganz gerührt. Ein anderes Beispiel: Frauen, die im Gefängnis landen, kommen oft aus schlimmen Verhältnissen. Sie wurden von ihren Männern geschlagen und misshandelt. Bei uns blühen sie zum Teil richtig auf. Als wir in den Neubau umgezogen sind, waren einige von ihnen völlig überwältigt. So gut ist es ihnen draußen noch nie gegangen – das muss man sich mal vorstellen! Trotz der massiven Einschränkung, jeden Tag in eine neun Quadratmeter große Zelle eingeschlossen zu werden.

Generell erlebe ich es immer wieder, dass man viel Dank zurückbekommt, wenn man die Anliegen der Häftlinge ernst nimmt und sie wertschätzt. Dann helfen sie uns auch in brenzligen Situationen. Darauf sind wir letztlich aber auch angewiesen. Neulich schlug ein Mann, der psychische Störungen hatte, plötzlich einen Beamten nieder. Andere Häftlinge sind dem Beamten sofort zu Hilfe gekommen.

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