Die Manager-Krankheit
MÜNCHEN - Schlaf- und Beruhigungsmittelsucht: 200000 Menschein in Bayern sind medikamentenabhängig. Immer häufiger sind mittlerweile junge Männer betroffen – die Krankheit wird oft erst nach Jahren bemerkt.
Die Aktienkurse rasen nach unten, das Geschäft und der Konkurrenzkampf werden immer härter. Viele Manager arbeiten bis zu 60Stunden pro Woche, bis am Limit, ständig unter Zeit- und Leistungsdruck. Die Folge: Sie können nachts nicht mehr schlafen, verfallen in Depressionen. Vom Arzt lassen sie sich Beruhigungs- oder Schlaftabletten verschreiben – um wenigstens für ein paar Stunden den Arbeitsstress vergessen zu können.
So geht es vielen Menschen. „Vor allem junge Männer sind immer häufiger von Schlaf- und Beruhigungsmitteln abhängig“, sagt Max Kaplan, Vizepräsident der Bayerischen Landesärztekammer. In Bayern sind etwa 200000 Menschen medikamentensüchtig – besonders gefährlich: Schlaf- und Beruhigungsmittel aus der Familie der Benzodiazepine.
„Managertypen müssen voll funktionieren“
Die Tatsache, dass neben Frauen auch immer mehr Männer abhängig sind, erklärt Kaplan so: „Managertypen müssen voll funktionieren.“ Bei ihnen mache sich der Erfolgs- und Leistungsdruck anscheinende besonders bemerkbar. „Dieses Verhalten wird bis zu einem gewissen Grad auch stillschweigend erwartet.“ Der unauffällige und meist unbemerkte Missbrauch von Medikamenten ermögliche im Gegensatz zum Alkohol eine jahrelange Anpassung an die gestellten Anforderungen, ohne dass psychische oder körperliche Schäden nach außen sichtbar würden.
Ärzte oder Apotheker merken die Abhängigkeit oft nicht: Bestellungen im Internet, Verschreibungen von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen sowie geschicktes Ärzte-Hopping der Patienten machen es den Beteiligten schwer, nachzuvollziehen, wer wann wie viele Medikamente nimmt.
Auch wenn die Zahlen medikamentenabhängiger Männer steigen – am häufigsten sind nach wie vor Frauen betroffen. „Mehr als 60000 Versicherte der Betriebskrankenkassen in Bayern bekamen 2007 Benzodiazepine verordnet“, sagt Jörg Saatkamp, Vorstand des BKK-Landesverbands Bayern. Dabei sei der Frauenanteil doppelt so hoch. Ab dem 65. Lebensjahr bekommen laut Statistik wesentlich mehr Männer als Frauen Schlaf- oder Beruhigungsmittel. Die volkswirtschaftlichen Folgekosten schätzt die Bundesärztekammer auf 14 Milliarden Euro.
C. Landsgesell
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