Von Schwabing ins Fat Cat: Die Lach- und Schieß beginnt ein neues Kapitel
Es dürfte in den vergangenen 69 Jahren Lach- und Schießgesellschaft wohl niemanden geben, der mehr Bier- und Weingläser auf die Tische der Gäste gestellt hat wie den guten alten Pino. Doch als der Inbegriff einer Kabarettbühne am helllichten Sonntagnachmittag mit Sack, Pack, dem nahezu als Reliquie gefeierten gelben Lach-und-Schieß-Schild, der enorm energetischen Express Brass Band sowie mehreren Hundert Umzugshelfern sich auf den Weg zum neuen Domizil weit weg von der Schwabinger Heimat macht, da steht Pino wie viele andere Schwabinger mit dem Handy am Straßenrand und filmt dieses ziemlich einmalige Happening.
Warum er nicht mitläuft? "Muss arbeiten", sagt er und zeigt rüber zum Lustspielhaus, "Matinée von Christian Springer. Aber wenn der Till dann wieder zurückzieht, bin ich dabei, auf jeden Fall."
Manch verblüfftem Passanten muss man erklären, was da gerade vor sich geht: Nach einem jahrelangen, für Kabarettfreunde schwer erträglichen Abstieg der Bühne in die Bedeutungs- und Veranstaltungslosigkeit zieht die Lach- und Schieß mit dem neuen alten Betreiber Till Hofmann nun um, in ein Interims-Quartier in der Fat Cat, dem ehemaligen Gasteig.
Lach- und Schießgesellschaft im Fat Cat: "Zwischennutzungen können lang dauern"
Dort wird im Kleinen Konzertsaal im ersten Stock von Mitte Januar an wieder Kabarett gespielt werden. Wie lange? Wer weiß. OB Dieter Reiter fasste bei der Einweihung die Gemengelage so zusammen: "Es ist eine Zwischennutzung, aber wer die Stadt München kennt, weiß: Zwischennutzungen können lang dauern."

Natürlich hätte man auch einfach eine Housewarming-Party im Fat Cat feiern können, doch das hätte nicht dem anarchischen Geist der Ur-Väter entsprochen. Den hat Till Hofmann vor mehr als einem Vierteljahrhundert wohl so gründlich eingeatmet, dass er nun gar nicht anders kann als den Umzug nun genau so zu zelebrieren.

Und das sieht dann so aus: Wer rechtzeitig um eins da ist, also vor der Lach- und Schieß, die mal "Wing Nation" und mittlerweile "Kult 56" heißt, der bekommt aus Hofmanns Büro nebenan eine orangefarbene Wollmütze mit Aufschrift Lach- und Schießgesellschaft zugeworfen. Gefühlt 500 Sympathisanten bevölkern die Haimhauserstraße, darunter sehr viele, die im Kabarett Rang und Namen haben.

Zu den Klängen der fabelhaften Express Brass Band setzt sich der Zug in Bewegung, das gelbe Lach-und-Schieß-Ladenschild im Leiterwagen gebettet auf ein paar alte FC Schmiere-Trikots. Die Träger: Josef Hader, Claus von Wagner, Christl Sittenauer, Sonja Kling, Frank Klötgen sowie Sebastian Rüger und Frank Smilgies alias Ulan & Bator. Außerdem dabei: Willy Astor, Bumillo, Richard Oehmann, Alexander Liegl und Gabi Rothmüller. Am Gasteig stoßen noch Max Uthoff, Stephan Zimmer, Julia von Miller, Grög, Sebastian Fritz und viele andere dazu.
Kleiner Tipp an die MVG
Wer nochmal reinschaut, dem fällt der Abschied vom alten "Laden" nicht mehr so schwer. Veranstaltet wird an diesem Mittag ein "Weißwurst & Champagner-Frühstück", drinnen im Gastraum ist allen Ernstes eine Hüpfburg aufgebaut. Kein Blick zurück.
Wie stimmig ist dagegen dieser kollektiv wippende und swingende Zug durch die Straßen, von Anwohnern aus den Fenstern heraus mitgefilmt. An der Münchner Freiheit geht‘s runter in die U-Bahn, wo dann die viel zu volle U3 den schönen Zusammenhalt zerstört, aber nur kurzzeitig.

Am Odeonsplatz wartet man einfach auf die nächste U6, die Tuba, Trommel & Co. wieder ausspuckt, bevor es gemeinsam mit der S8 weiter zum Rosenheimer Platz und hoch in die Fat Cat geht. Kleiner Tipp an die MVG: diese Gute-Laune-Band einfach jeden Tag quer durch den MVV spielen lassen, und kein Mensch wird sich je wieder über eine verspätete S-Bahn beschweren.

Vor dem Fat-Cat-Eingang, wo auf dem von Till Hofmann vor der Fußball-EM 2024 angestifteten Bolzplatz immer noch gekickt werden kann, kommt die Marching Band zum Stehen: Zeit für ein paar Reden und die offizielle Taufe. Um 14.21 Uhr hängt das Plakat, Beleuchtung funktioniert auch, 13 Minuten später donnert Ensemble-Mitglied Christl Sittenauer den billigsten Schaumwein ("4,99!") an die Backstein-Fassade: kann losgehen!

Ensemble-Regisseur Sven Kemmler wünscht sich "Möge es ein Ort werden, an dem man sich auch mal über sein Niveau amüsieren kann", und "Ladenhüter" Christian Ude mahnt: applaudieren reiche nicht, man müsse die Bühne nun auch besuchen und kritisch begleiten. Wird gemacht, versprochen!
