Die Japaner kommen!
Japanische Küche liegt im Trend - die meisten Sternerestaurants der Welt gibt es in Tokio. Auch bei uns sind immer mehr Genießer begeistert von Sushi, Sashimi und vielen anderen Köstlichkeiten
Neulich im Supermarkt: Die Kühlung brummt, über den Lautsprecher dudelt „Hello“ von Lionel Ritchie. Und im Sonderangebot lockt die Zwölferpackung Sushi, gleich neben den Bratwürsten für den Grillabend.
Sushi! Im Supermarkt! In der Styroporpackung im Koma vor sich hindämmernd. Nichts gegen die Demokratisierung ehemaliger Luxuslebensmittel, aber Sushi im Supermarkt geht nicht. Keine Küche der Welt legt so großen Wert auf optische Präsentation wie die japanische, die Schönheit der Lebensmittel ist für Japaner fast so wichtig wie der Geschmack. Und natürlich die Frische.
Aber so ist es nun mal: Japanische Küche ist ein neuer Großtrend im Kochgewerbe, und da lässt es sich nicht vermeiden, dass alles und jeder davon profitieren möchte. Klebrige Running-Sushi-Restaurants genauso wie Pseudo-Trendlokale, in denen schlapper Nizzasalat mit Misosuppe serviert wird. Fehlt nur noch Sushi Hawaii beim Neobayern nebenan.
Den Siegeszug der wahren japanischen Küche wird das nicht aufhalten. Tokio ist die neue Hauptstadt der Haute Cuisine. Es gibt dort mehr Restaurants, die mit Michelin-Sternen ausgezeichnet wurden, als in Paris. Und auch in München kann man gut japanisch essen (siehe Kasten).
Was die meisten Europäer nicht wissen: Japanische Küche ist viel mehr als Sushi und Sashimi - auch wenn alles, was mit rohem Fisch zu tun hat, natürlich eine bedeutende Rolle spielt. Aber Japaner zaubern auch mit frischen Kräutern, beizen ihren Fisch mit fantastischen Ingwer- und Wasabisaucen, richten Gemüse mit Sesamdressing an, garnieren Spinat mit knusprigen Fisch-Flocken.
Dabei verwenden sie, im Gegensatz zu anderen ostasiatischen Küchen, kaum Öl oder Gewürze. Alles soll möglichst unverfälscht auf den Tisch kommen. Und, ganz wichtig, dekorativ präsentiert werden. Essen in Japan ist eine Zeremonie, eine ernste Sache. Und alles hat etwas zu bedeuten. Ist Symbol für das Leben, für das Glück.
Woher wir das wissen? Nun, in Japan haben wir nicht recherchiert, sondern am Tegernsee. Dort, im Hotel Überfahrt, lud der phantastische (und AZ-Lesern bestens bekannte) Sternekoch Christian Jürgens zwei Kochkünstler der japanischen Hotelkette Okura zu einem Koch-Event ein. Japanisch mal anders, auf höchstem Niveau.
Wer einmal probiert hat, wie Großmeister Akira Oshima vom Top-Restaurant Yamazato in Amsterdam einen Kabeljau zubereitet, der möchte umgehend einen Abend in diesem Lokal verbringen. Beim Namen Oshima denken manche Menschen vielleicht an den japanischen Regisseur Nagisa Oshima und seinen Skandalfilm „Im Reich der Sinne“ aus den siebziger Jahren. Es ist damit ein anderes Reich gemeint, aber der Titel passt trotzdem. Jedenfalls entwickeln Feinschmecker angesichts von anmutigen Auberginen und bildschönen Zedern auf dem Teller eine wahre Leidenschaft fürs Essen. Die feinsinnige Chefredakteurin der Zeitschrift „Feinschmecker“ beispielsweise steckte die betörend riechenden Zweige des Sencha-Pfeffers gleich in ihr Mineralwasserglas, um sie später auf dem heimischen Balkon einpflanzen zu können.
Sie sagt, dass die japanische Küche in den Metropolen der Welt schon angekommen sei. In Los Angeles, London, Paris. Nur die Deutschen tun sich noch schwer. „Schade, oder?“
Während wir so fachsimpeln, tragen die Kellner das Dessert auf: eine kandierte Zitrone auf einem großen weißen Teller. Das ist eine Kreation von Christian Jürgens vom Tegernsee. Aber sie sieht durch und durch japanisch aus.
Arno Makowsky
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