Die Fundsachenversteigerung des Flughafens

Sechs Mal im Jahr versteigert der Flughafen seine Fundsachen. Darunter finden sich Kettensägen, Eheringe oder iPads. Am spannendsten aber sind die komplett befüllten Koffer anderer Leute
Timm Wessling |
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Versteigerung der Fundsachen in Dorfen. Das haben die Gäste ergattert...
Timm Wessling 12 Versteigerung der Fundsachen in Dorfen. Das haben die Gäste ergattert...
So etwas gibt’s: Autositze für einen Seat sind am Flughafen vergessen worden und werden versteigert.
Timm Wessling 12 So etwas gibt’s: Autositze für einen Seat sind am Flughafen vergessen worden und werden versteigert.
Das Kleid ist zu groß für Ronja. Trotzdem haben sie und ihr Freund Lukas Spaß beim Auspacken des Überraschungs-Koffers.
Timm Wessling 12 Das Kleid ist zu groß für Ronja. Trotzdem haben sie und ihr Freund Lukas Spaß beim Auspacken des Überraschungs-Koffers.
Lukas (r.) findet eine Cognac-Flasche der Marke Brancoveanu zwischen Unterwäsche und Handtüchern.
Timm Wessling 12 Lukas (r.) findet eine Cognac-Flasche der Marke Brancoveanu zwischen Unterwäsche und Handtüchern.
Ein edler Tropfen.
Timm Wessling 12 Ein edler Tropfen.
LAPTOP: 110 EURO
Nick Hillert (26) hat sich für gerade einmal 110 Euro einen Laptop gesichert. „Eigentlich brauche ich den nicht dringend“, sagt er. Wie viel Power das Gerät hat, weiß Nick auch noch nicht: „Schaun ma’ mal, was der so drauf hat.“
Timm Wessling 12 LAPTOP: 110 EURO Nick Hillert (26) hat sich für gerade einmal 110 Euro einen Laptop gesichert. „Eigentlich brauche ich den nicht dringend“, sagt er. Wie viel Power das Gerät hat, weiß Nick auch noch nicht: „Schaun ma’ mal, was der so drauf hat.“
EDELFEDER: 85 EURO

Magno Agostino (27) zeigt stolz seinen frisch ersteigerten Mont-Blanc-Kugelschreiber in die Kamera. 85 Euro hat er dafür ausgegeben. „Ich wollte schon immer so einen haben“, sagt er. Manko: Der Stift hat keine Mine.
Timm Wessling 12 EDELFEDER: 85 EURO Magno Agostino (27) zeigt stolz seinen frisch ersteigerten Mont-Blanc-Kugelschreiber in die Kamera. 85 Euro hat er dafür ausgegeben. „Ich wollte schon immer so einen haben“, sagt er. Manko: Der Stift hat keine Mine.
SPIELZEUG: 40 EURO

40 Euro für ein Boogie-Board und einen Spielzeug-Tunnel – ein hübsches Schnäppchen hat Bastian Ebbecke da für seine Tochter Louisa (7) geschossen. „Wie im Spielzeugladen hier, nur billiger“, sagt der Papa.
Timm Wessling 12 SPIELZEUG: 40 EURO 40 Euro für ein Boogie-Board und einen Spielzeug-Tunnel – ein hübsches Schnäppchen hat Bastian Ebbecke da für seine Tochter Louisa (7) geschossen. „Wie im Spielzeugladen hier, nur billiger“, sagt der Papa.
KAMERA : 300 EURO

Armin Hauber hat sich eine Spiegelreflexkamera geschnappt. In den Händen hält er eine Canon 450d mit Objektiv für 300 Euro. Ein Schnäppchen? Nicht ganz: Neu kostet das Gerät ungefähr genau so viel.
Timm Wessling 12 KAMERA : 300 EURO Armin Hauber hat sich eine Spiegelreflexkamera geschnappt. In den Händen hält er eine Canon 450d mit Objektiv für 300 Euro. Ein Schnäppchen? Nicht ganz: Neu kostet das Gerät ungefähr genau so viel.
KETTENSÄGE : 65 EURO

Ja, das Schwert fehlt noch, aber trotzdem hat Emre (22) nur 65 Euro für diese Kettensäge bezahlt. Selber braucht er sie aber gar nicht: „Die ist ein Geschenk für meinen Papa“, sagt er. Der wird damit wohl was anfangen können.
Timm Wessling 12 KETTENSÄGE : 65 EURO Ja, das Schwert fehlt noch, aber trotzdem hat Emre (22) nur 65 Euro für diese Kettensäge bezahlt. Selber braucht er sie aber gar nicht: „Die ist ein Geschenk für meinen Papa“, sagt er. Der wird damit wohl was anfangen können.
KRIMSKRAMS: 65 EURO
Annelie (21) hat gerade 65 Euro ausgegeben und dafür eine Tasche, ein Bild und einen Gürtel bekommen. Haben wollte sie nur die Tasche. Denn das Modell von George Gina & Lucy kostet neu weit über 100 Euro.
Timm Wessling 12 KRIMSKRAMS: 65 EURO Annelie (21) hat gerade 65 Euro ausgegeben und dafür eine Tasche, ein Bild und einen Gürtel bekommen. Haben wollte sie nur die Tasche. Denn das Modell von George Gina & Lucy kostet neu weit über 100 Euro.
70 GÜRTEL : 155 EURO

70 Gürtel hat Harald Huber in diesem Koffer. Die kann er nicht alle selber tragen. Will er auch gar nicht: „Die verkaufe ich auf dem Flohmarkt weiter“, sagt er. Vielleicht hat er die 155 Euro für den Koffer dann wieder eingenommen.
Timm Wessling 12 70 GÜRTEL : 155 EURO 70 Gürtel hat Harald Huber in diesem Koffer. Die kann er nicht alle selber tragen. Will er auch gar nicht: „Die verkaufe ich auf dem Flohmarkt weiter“, sagt er. Vielleicht hat er die 155 Euro für den Koffer dann wieder eingenommen.

Dorfen Immerhin 400 Euro haben Ronja und Lukas (beide 21) gerade für einen schwarzen Rollkoffer hingeblättert. Ganz schön viel für ein gebrauchtes Gepäckstück. Allerdings ist der Koffer ein riesiges Überraschungsei: Drinnen findet sich das Urlaubsgepäck eines fremden Pärchens, das Lukas und Ronja jetzt durchwühlen. Gibt’s nicht? Gibt’s doch!

Bei der Fundsachenversteigerung des Flughafens Münchens. Sechs Mal im Jahr versteigert der Flughafen nicht abgeholte Gepäckstücke: Einmal am Flughafen selbst und fünf Mal im Umland. An diesem Wochenende hat das Team des Fundbüros rund 250 Stücke auf das Volksfest in Dorfen gebracht. Darunter auch fünf „Überraschungs-Koffer“ mit unbekanntem Inhalt. Vor allem aber ist die Versteigerung ein Paradies für Technik-Schnäppchenjäger. Smartphones für 50 Euro, iPads für 140 Euro oder Laptops für 110 Euro gehen über den Tresen. Der Neupreis liegt oft um ein Vielfaches höher. Gezahlt werden muss aber immer in bar.

Auch Schmuck findet sich auf der Versteigerungsliste, Eheringe mit Gravur etwa. Als Auktionator Joseph Mittermaier die Inschrift „Für Heinz“ vorliest, müssen die knapp 1500 Gäste in der Eishalle laut lachen. „Solche Stücke gehen vor allem an Wiederverkäufer“, erklärt Josef Rankl. Rankl leitet seit mehr als zehn Jahren das Fundbüro am Flughafen. Im Publikum sieht er viele bekannte Gesichter, die zu fast jeder Fundsachenversteigerung kommen.

Apropos bekanntes Gesicht: Auktionator Josef Mittermeier ist der Vater des bekannten Comedian Michael Mittermeier und versteigert seit 2008 die Fundsachen des Flughafens. Vieles wird gleich im Paket verscherbelt: Ein Bild, eine Tasche und ein Gürtel für 65 Euro. Oder ein Wanderstock mit Schirm und Fernglas für 80 Euro. Wer will, kann sich auch Pakete mit zehn Uhren unter den Nagel reißen. Ronja und Lukas arbeiten sich derweil Schicht für Schicht durch ein fremdes Leben.

Die 400 Euro sind gut angelegt. Ronja zieht einen Laptop aus dem Gepäckstück, Lukas findet einen Taschenrechner und Edel-Cognac zwischen Hosen und Damenunterwäsche. Nur die Klamotten passen nicht so ganz: Ein blaues Satin-Kleid ist Ronja locker drei Nummern zu groß. Koffer wie dieser werden zwar als Überraschung versteigert, geöffnet wurden sie vorher trotzdem: „Der Inhalt ist durch den Zoll gegangen, und es finden sich keine Hinweise auf die früheren Besitzer“, erklärt Rankl vom Fundbüro. Festplatten von Laptops würden gelöscht und Familienfotos entfernt.

Ein halbes Jahr haben die Besitzer Zeit, ihre Besitztümer wieder abzuholen. Was dann noch immer am Flughafen liegt, kommt in die Versteigerung.

Die nächste wird am 21. September in Geiselwind stattfinden – und die Einnahmen fließen zu einem großen Teil in Integrationsprojekte im Umfeld des Flughafens.

Wieder mit dabei: Fundbüro-Leiter Josef Rankl, der wohl einen der lustigsten Jobs der Stadt hat. „Mich schockt nichts mehr“, erzählt er. „Derzeit steht bei uns eine Waschmaschine, eine Modell-Moschee und ein ferngesteuertes Benzin-Auto mit über 50 Zentimeter Länge“. Sogar Brautkleider oder Goldfische wurden schon am Terminal vergessen.

Und auch heute kommen viele skurrile Dinge unter den Hammer: Kettensägen und Akkuschrauber zum Beispiel — aber auch zwei Autositze, passend für einen Seat. Die Höhepunkte bleiben aber die Überraschungs-Koffer. Heute gehen davon fünf Stück raus.

Die meisten Käufer warten mit dem Öffnen, bis sie wieder zu Hause sind. Lukas und Ronja konnten aber nicht warten. Als Auktionator Mittermeier die Versteigerung beendet, hat das Pärchen den Koffer-Inhalt schon auf drei Bierbänke verteilt. Und ganz unten findet Ronja dann doch noch etwas, das ihr passt: schwarze, spitze Lederstiefel mit Absatz. „Ist nicht ganz mein Stil“, sagt Ronja, zieht sie aber trotzdem an.

 

 

 

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