Die Doktoren-Hütte
Blumenwiesen statt Büroluft: Wie eine Entwicklerin und ein Mediziner aus dem Würmtal zu Hüttenwirten wurden.
Thomas Meyer (51) hat Medizin studiert und mit zwei Bekannten im Würmtal ein erfolgreiches Forschungsunternehmen gegründet. Seit kurzem ist Thomas Meyer außerdem Klärwart, Techniker – und Hüttenwirt: Mit seiner Frau Petra (49), die bei Microsoft eine Entwicklungsabteilung leitet, hat er im Herbst die Gufferthütte im Rofangebirge übernommen. Weil Petra auch promoviert hat, heißt das Haus auf 1475 Metern bei den Jägern jetzt liebevoll „die Doktoren-Hütte“.
Ein Faible fürs Gebirge hatten die Pöckinger schon seit ihrer Jugend. Bergsteigen, Wandern, Skitourengehen, Mountainbiken – sie waren viel in der Natur unterwegs. „Irgendwann“, sagt Petra, „haben wir gemerkt, dass wir nur aufs Wochenende hinarbeiten. Um rauszukommen.“ Dabei waren die Meyers mit ihren Jobs zufrieden. „Wir sind nicht auf die Hütte gegangen, weil wir gefrustet waren“, sagt Thomas, „sondern weil wir etwas Neues machen wollten“.
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Erste Erfahrungen sammelten die Eheleute in der Schweiz. Im Lötschental sprangen sie als Vertretung für ein Hüttenwirte-Paar ein und mussten ständig improvisieren. Mal kam eine 20-Mann-Gruppe unangemeldet vorbei, mal fiel der Strom aus, mal war das Haus eingeschneit. „Das war anstrengender als gedacht, hat aber viel Spaß gemacht“, sagt Petra Meyer. Zwei Probe-Hütten später entdeckten die Meyers ein Inserat auf der Homepage des Alpenvereins: Hüttenwirte gesucht. „Eine Hütte im Rofan – das war uns eigentlich zu nah, so direkt vor der Haustür. Außerdem hatten wir mit einer hochalpinen Hütte geliebäugelt und die hier ist doch eher etwas für Familien“, sagt Thomas Meyer.
Ansehen wollten sie sich die Hütte aber trotzdem – und verliebten sich „auf den zweiten Blick“ in das 57-Betten-Haus, das inmitten eines geschützten Hochmoores, umgeben von Blumenwiesen zwischen Halserspitze (1862 m) und Guffert (2195 m) liegt. Sie bewarben sich bei der Alpenvereins-Sektion Kaufering, der die Hütte gehört, und setzten sich gegen 20 Mitbewerber durch. Sie richteten die Hütte her, belegten einen Kurs in Hüttentechnik und Thomas ließ sich zum Klärwart ausbilden für den Fall, dass die Kläranlage der Hütte streikt.
Am 1.Mai zogen sie ein – und mussten erst einmal mehrere Meter Schnee von der Terrasse fräsen. „Eigentlich ist die Hütte für uns ideal“, sagen sie heute. Beide wollen ihren Beruf nicht aufgeben. Thomas bleibt via Internet mit seiner Firma in Kontakt und wäre in eineinhalb Stunden im Würmtal, falls er gebraucht wird. Petra will weiterhin bei Microsoft arbeiten und ihren Mann an den Wochenenden besuchen.
Was man als Hüttenwirt so verdient, wird er manchmal gefragt. „Was verstehst du unter Verdienst?“, fragt Thomas Meyer dann zurück. „Die nackte Zahl auf dem Papier ist unendlich niedrig. Aber wenn man das Naturerlebnis und den Umgang mit den Gästen hinzunimmt, ist das unbezahlbar.“
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