Die acht goldenen Regeln der Revolte

Seit Juni 2009 bekämpft eine Bürgerinitiative den Ausbau einer traditionsreichen Schießanlage in Forstenried – und das mit großem Erfolg. Die AZ zeigt, wie sie das geschafft haben
von  Abendzeitung
Die Anführer der Initiative (v.l.): Heinz Kuhnert, Edith Schleicher und Dieter Schöne an der Schießanlage Hubertus.
Die Anführer der Initiative (v.l.): Heinz Kuhnert, Edith Schleicher und Dieter Schöne an der Schießanlage Hubertus. © Daniel von Loeper

MÜNCHEN - Seit Juni 2009 bekämpft eine Bürgerinitiative den Ausbau einer traditionsreichen Schießanlage in Forstenried – und das mit großem Erfolg. Die AZ zeigt, wie sie das geschafft haben

Sie kämpfen gegen Gewehre, die Verschmutzung ihres Parks und den Bau einer Schützenanlage, so groß wie die Allianz-Arena. Bislang hat sich der Kampf gelohnt.

„Wir haben einen wichtigen Erfolg erreicht“, sagt Heinz Kuhnert, Sprecher der Bürgerinitiative „Forstenrieder Park ohne Schießanlage“. Seit Juni 2009 versucht die Initiative die Pläne des Schützenvereins Hubertus, seine Schießanlage in der Nachbarschaft des Wohngebiets auszubauen, zu verhindern. Das Bürgerbegehren hat in kurzer Zeit viel erreicht. So hat Finanzminister Georg Fahrenschon erst kürzlich verfügt: Das Areal wird nicht an den Schützenverein Hubertus Unterdill verkauft. Protest lohnt sich also – und so wird er zum Erfolg.

Regel 1: Suche dir ein dankbares Feindbild! Strahlende Atommeiler oder teure Transrapids will kaum jemand vor der Haustür haben – Schießanlagen auch nicht. Fritz Kuhnert, der Sprecher der Initiative, erklärt: „Eine monströse Schießanlage in einem Erholungsgebiet – das ist völlig unzeitgemäß.“ 13300 Nachbarn sehen das genauso und unterstützen das Begehren mit ihrer Unterschrift.

Regel 2: Kämpfe mit Kompetenz! Der Kern der Forstenrieder Initiative besteht aus Architekten, Ingenieuren, Physikern und Juristen. „Jeder hat seine Kompetenz mit eingebracht“, sagt Kuhnert. So erstellte der Diplom-Ingenieur und Mitstreiter Jochen Weidinger eine Studie zur voraussichtlichen Lärmbelästigung, sollte die Hubertus-Anlage ausgebaut werden. Dafür untersuchte er die Lärmausdehnung in der Schießanlage Garching-Hochbrück. Sein Fazit: Wenn ein Schütze abdrückt, ist unter Umständen noch einen halben Kilometer entfernt der Schuss mit 66,5 Dezibel zu hören. Und: Selbst ein Lärmschutzwall hilft gegen diese Geräusche wenig.

Regel 3: Vertraue auf Rentner! „Da viele von uns schon im Ruhestand sind, haben wir natürlich viel Zeit, uns um die Initiative zu kümmern“, sagt Fritz Kuhnert, der selbst Rentner ist. Stundenlanges Aktenstudium, Recherchen und Sitzungen bis Mitternacht – ein Vollzeit-Job, der sich kaum nebenbei erledigen lässt.

Regel 4: Sorge für Propaganda! Kurz nach ihrer Gründung am 11. Juli 2009 baute die Bürgerinitiative ihre Internetseite aus – dank eines Informatikers, der sich ebenfalls engagiert. Aktuelles, Spendenaufrufe und Unterschriftenaktionen – die Initiative begehrt auch im Netz auf.

Regel 5: Fülle deine Kriegskasse! Als der Verkauf des Areals noch zur Debatte stand, beschloss die Initiative, einfach mitzubieten – doch dann kam der Beschluss: Das Gebiet bleibt im Besitz des Freistaats. „Wir wären Bieter mit viel Selbstvertrauen gewesen“, meint Kuhnert. Mehr als 100000 Euro hätte die Initiative dank Spenden auftreiben können.

Regel 6: Lass’ dich nicht täuschen! Auch der Schützenverein Hubertus Unterdill kämpft für seine Schießanlage – und das mit allen bürokratischen Tricks. Der Gegner weiß also auch, was er tun kann! Für den Neubau seiner Wurfscheibenanlage zog der Verein seinen Antrag bei der Stadt zurück und reichte ihn beim Landratsamt München ein. Begründung: Die Baupläne beträfen gemeindefreies Gebiet. Nun prüft die Regierung von Oberbayern die Zuständigkeit.

Regel 7: Wiege dich nicht zu früh in Sicherheit! Ihr Kampf sei noch nicht gewonnen, sagen die Forstenrieder. Nun gehe es darum, dass der bis 2014 laufende Pachtvertrag mit dem Schützenverein Hubertus nur unter Auflagen vom Freistaat verlängert wird. Die Schützen würden es nämlich gerne häufiger als die genehmigten zehn Stunden pro Wochen krachen lassen. Zunächst muss der Verein jedoch die Belastung des Bodens untersuchen lassen. Laut Initiative fallen jedes Jahr sieben Tonnen Munitionsreste wie Bleikugeln auf das Gebiet. – dadurch sei auch das Grundwasser bedroht. Unabhängig davon will der Schützenverein Hubertus an seinen Plänen für die Schießanlage festhalten.

Daher gilt als achte und letzte Regel:

Kämpfe immer weiter!

Reinhard Keck

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