„Der Laden ist am Ende“

MÜNCHEN - Der neueste Plan: Künstler und Handwerker sollen dem zahlenden Party-Volk weichen. Das Denkmal am Viktualienmarkt verkommt zur Ramschbude
Die Schrannenhalle war Münchens Prestige-Projekt. Künstler, Handwerker, Köche sollten sich hier versammeln und als Botschafter für eine kreative, weltoffene Stadt werben. Von der besten City-Lage bis zur Immobilie: Die Voraussetzungen waren perfekt Doch die Geschichte der Schrannenhalle, die wiederaufgebaut wurde, um München zu schmücken, ist die Geschichte eines Skandals. Weil das Konzept mit den Künstlern, Köchen und Handwerkern fehlschlug, leitet Hallen-Chef Jürgen Lochbihler jetzt den Niedergang der Schrannenhalle ein.
Gastronomen, Händler, Handwerker – alle müssen Platz machen für eine neue Event-Arena. Als erste verlieren die Servicekräfte ihre Jobs. Anfang Januar werden sie gefeuert. Bis Ostern könnte die gesamte Halle leer stehen. Konzerte und Veranstaltungen sollen künftig Geld bringen. Insider fürchten, dass der Schrannenhalle bald die Zwangsversteigerung droht.
Vom Kellner bis zur Toilettenfrau wurden alle Servicemitarbeiter am Montagnachmittag zum Meeting einbestellt. Ohne Umschweife eröffnete Jürgen Lochbihler, Geschäftsführer der Schrannenhalle, den rund 50 Angestellten, dass sie die ersten seien, die über die Klinge springen müssen. „Nach Heilig Dreikönig werden wir die Kellnerabteilung schließen“, bestätigte Jürgen Lochbihler der AZ. Mittelfristig soll die gesamte Gastronomie rausfliegen.
„Es ist ein Trauerspiel“, sagt Szene-Wirt Kay Wörsching, der mit seiner Prosecco-Bar nach drei Jahren in der Schranne das Feld räumen muss. Wann die Bar schließt, weiß der Wirt selbst noch nicht genau: „Vielleicht können wir bis Fasching bleiben, dann ist definitiv Schluss.“
Entsprechend mies ist momentan überall die Stimmung in der Schranne. „Der Laden ist am Ende, der macht komplett dicht“, unken manche.
„Absoluter Blödsinn, es geht weiter“, betont dagegen Jürgen Lochbihler und fügt im selben Atemzug hinzu: „Ganz leer schaut die Halle am schönsten aus.“ Dann ist auch genügend Platz für die geplante Event-Arena. Mit Konzerten und Veranstaltungen will Lochbihler den Betrieb aus den roten Zahlen manövrieren. „Ich könnte mir Pop-Konzerte oder Themenmärkte vorstellen, die wie die Dult über eine Woche und länger dauern“, sagt er. Zusätzlich sollen Veranstaltungen und Feste Geld in die Kasse spülen. Gastronomie und Catering werden, so der Plan, im Bedarfsfall aufgefahren.
Im Kulturbeirat der Schrannenhalle hatte Lochbihler bereits vor einigen Tagen die Stadträte in seine Pläne eingeweiht: „Wir haben ihn ermutigt, dies einmal zu versuchen“, sagt SPD-Fraktionschef Alexander Reissl, der die Verlagerung auch als Chance sieht: „Es ist jedenfalls nicht der letzte Versuch, zu retten, was noch zu retten ist.“
Das leidige Thema Schrannenhalle ist auch ein Fall im nächsten Kommunalausschuss: „Sollten die Probleme nicht in den Griff bekommen werden, könnte die Stadt von ihrem Heimfallsrecht Gebrauch machen“, sagte Bürgermeisterin Christine Strobl. Das bedeutet, dass die Schranne im Falle des Falles an die Stadt zurückfällt. Ein Rettungspaket schließen die Verantwortlichen aus: „Kommunale Zuschüsse, wie die Muffathalle sie beispielsweise erhält, soll es für die Schranne nicht geben“, betont Ulrike Boesser, Koreferentin im Kommunalreferat.
Noch aber fließe das Geld für die Erbpacht, betont die Bürgermeisterin. Bei den Mietzahlungen an den Besitzer der Halle, die Schrannenhallen GmbH, ist Jürgen Lochbihler allerdings schon auf die Bremse gestiegen. „Vor einem Monat hat er den Betrag um 40 Prozent reduziert“, sagt Rechtsanwalt Johannes Mauder, der die Schrannenhalle zwangsverwaltet (siehe rechts). Angeblich sind es rund 80000 Euro, die Lochbihler momentan monatlich nicht bezahlt. Die Miete für Oktober steht noch aus. Rechtsanwalt Johannes Mauder hat sie vor dem Landgericht eingeklagt.
Als Grund für die Mietminderung nannte Jürgen Lochbihler die schlechte Geschäftslage. „Herr Lochbihler hat uns außerdem gebeten, den bis 2015 gültigen Mietvertrag auf Ende 2009 zu reduzieren“, berichtet Johannes Mauder.
Insider behaupten, dass bereits Investoren aus der Schweiz und Großbritannien in den Startlöchern stünden, um die Schrannenhalle zu kaufen. Gerüchteweise geht es um einen Betrag von 47 Millionen Euro. Im Falle einer Pleite würde die Schranne vermutlich für weit weniger den Besitzer wechseln.
Ralph Hub, Daniel Aschoff