Der Knall des Knalls

Gitta Gritzmann erzählt von Gift und Gangstern und bringt Kindern das Krimi-Schreiben bei.
von  Abendzeitung
Über Gifte sprech ich auch mit Jüngeren“: Gitta Gritzmann weiß, der Krimi ist ein weites Feld.
Über Gifte sprech ich auch mit Jüngeren“: Gitta Gritzmann weiß, der Krimi ist ein weites Feld. © Siegfried Sperl

Gitta Gritzmann erzählt von Gift und Gangstern und bringt Kindern das Krimi-Schreiben bei.

Nein, man braucht wirklich kein „Chicago Piano“, also eine Thompson-Maschinenpistole, um einen Zeitgenossen ins Jenseits zu befördern. „Es geht auch mit Giften“, sagt Gitta Gritzmann. Klappt den Silberring auf am linken Ringfinger, weißes Pulver rieselt ins bereitgestellte Wasserglas. Zwingt sie uns jetzt, das Zeug zu trinken? Aber, aber. Ist doch nur ein Gag, das Pulver: Zucker.

Stadtbibliothek Waldtrudering, Wasserburger Landstraße 205, Mittwoch, 10 Uhr: Die 4a der Grundschule an der Markgrafenstraße läuft ein; betrachtet, ehe es losgeht, Bilder von Al Capone, dem wohl berühmtesten Gangster aller Zeiten, betastet Handschellen, bewundert den abgeschabten Koffer mit der einschlägigen Literatur von den „Drei Fragezeichen“ bis zum „Handbuch Toxikologie“ – und dann? Beginnt die Krimi-Schreibwerkstatt von Kultur &Spielraum, als Vorbereitung für den Kinder-Krimipreis, an dem sich die Klasse heuer beteiligt. Lehrerin Christina Schulze hat gemerkt, dass Projekte dieser Art den Kindern gut tun – weil sie die Sozialkompetenz schulen und Wissensunterschiede ausgleichen. Tintenherz, Tom Sawyer, Winnetou: ein paar Kinder haben all das schon gelesen, was viel ist für ihr Alter.

Eine mit Arsen vollgepumpte Leiche fault nicht so schnell

Derweil ist Gitta Gritzmann als Dozentin insofern eine Idealbesetzung als sie a) Germanistik und Literaturwissenschaft studiert und später zwei Bücher mit Geschichten von Kindern für Kinder herausgegeben hat und man sie b) durchaus selbst auch als Krimifan bezeichnen darf. Jedenfalls als Fan raffinierter Autoren wie Agatha Christie und Elizabeth George. Sie war schon mal besuchsweise auf Alcatraz. Und wie hat sie sich gefreut, als sie unlängst das „Handbuch Toxikologie“ von 1838 antiquarisch auftreiben konnte – weil es ein bisschen verständlicher erklärt, wie welche Gifte wirken als das dröge „Lehrbuch der Toxikologie“. Also, zum Beispiel, eine Arsen-haltige Leiche, die fault nicht so schnell.

Dermaßen aufs Thema eingestimmt, sind auch die Kinder bald um gute Ideen keineswegs verlegen. Welche Art von Fällen etwa Kaufhaus-/Privat-/Wirtschaftsdetektive übernehmen? „Die Putzfrau entdeckt, dass im Keller was fehlt“, meint ein Mädchen, Jonas: „Kaufen sich zwei einen Hund, und der verschwindet“. Weitere Vorschläge: „Wenn sich ein Politiker, der eine Firma oft besucht, komisch verhält“, und: „In der Firma tut einer nur so, als ob er arbeitet“. Kann ja vorkommen, sowas. Kann auch sein, sagt Theresa, dass einer „am Stromkasten dreht“, weiterhin munter Strom bezieht, aber nicht mehr bezahlt.

„ . . . und die Glocken der Kirchturmuhr schlugen zwölf Mal“

Man muss natürlich, will man Krimis schreiben, die Krimigötter kennen. Arthur C. Doyle etwa, eigentlich Arzt von Beruf, hat seinen Sherlock Holmes eine lebensgroße Puppe von sich selbst ins Fenster setzen und diese von der Haushälterin bewegen lassen. Und zu den goldenen Regeln von Agatha Christie, ehemals Apothekerin, gehörte, pro Geschichte nur einen Geheimgang zu verwenden. Derweil beantwortet ein guter Krimi, sagte Gritzmann, die sieben W-Fragen (Kasten) und enthält folgende Elemente: ein Geheimnis, den Höhepunkt, einen Konflikt und am Ende eine Überraschung: den „Knall des Knalls“. Oder so gesagt: ein Krimi muss knifflig, logisch, spannend sein, es darf aber durchaus lustig zugehen. Ansonsten? Die Kinder erfuhren diverse Details aus dem Leben von Al Capone, genannt „Scarface“ wegen einer langen Narbe unterhalb des linken Ohrs, die er zeitlebens überpuderte (abenteuerlich). Hörten, wie der Tagesablauf eines Inhaftierten in einer Jugendvollzugsanstalt so aussieht (eintönig) und bekamen zwei besonders gelungene Kinder-Krimis vorgelesen („Hallo, ich bin Detektiv“).

Es folgte „die Schreibphase“, wobei die Kinder an den heuer erstmals vorgegebenen Einstiegssatz anknüpften: „Das Wetter war mild, es roch nach Frühling und die Glocken der Kirchturmuhr schlugen zwölf Mal“. Schon nach einer halben Stunde lagen erste Entwürfe vor. Caroline schrieb über einen Einbruch in „das kleine Museum weit drinnen in der Stadt“, Jonas hatte die Überschrift: „Mord mit Hindernissen“. Danielas Text ging so los: „Im Haus Nummer 12 regte sich etwas. Es war ein Mann, der die ganze Nacht einen Plan ausgeheckt hatte“. Vielleicht, um später das Opfer mit „Chloroform zu betäuben und in ein Auto zu zerren?“. Oder mit Zyankali zu vergiften. Vorschläge wurden an diesem Vormittag ja zuhauf gemacht.

Andrea Kästle

WAS EIN GUTER KRIMI BRAUCHT

Ein guter Krimi? Sollte, sagt Gritzmann, auf vier Säulen stehen. Diese Säulen sind: ein Geheimnis, der Höhepunkt, ein Konflikt und am Ende ein Überraschungsmoment, eben: „Der Knall des Knalls“. Der Mörder ist doch ein anderer. Des weiteren beantwortet die Geschichte die sieben W-Fragen, die da wären: Was ist passiert? Das Ereignis wird erklärt. Wo ist es passiert? Der Tatort wird beschrieben. Wann ist es passiert? Angaben zur Tatzeit. Wie ist es passiert? Der Tathergang wird erläutert. Wer ist beteiligt? Täter mit Komplizen, Opfer und Zeugen werden vorgestellt. Womit wurde die Tat ausgeführt? Warum wurde die Tat begangen? Das Motiv.

WERKSTATT FÜR GUTE GESCHICHTEN

Über 20 Schreibwerkstätten hat Kultur & Spielraum im Rahmen des Kinder-Krimipreises im Programm, die meisten davon sind für Schulklassen und finden in den Stadtbibliotheken statt. Dabei ist die Nachfrage riesig, die Begeisterung groß. Gitta Gritzmann hatte in einer Schule im Westend einen Buben aus dem Kosovo, der zuhause gleich den nächsten Krimi schreiben wollte. In der Hauptschule Fürstenried hätten sie am liebsten das Gangster-Buch über die Bosse von Chicago mit nach Hause genommen. Derweil überlegten Siebtklässler des Maria Theresia-Gymnasiums ewig einen passenden Namen für den in ihrer Geschichte vorkommenden Hund und feilten ausgiebig am ersten Satz. „Das freut mich natürlich, wenn ich sowas dann erlebe“. In der Schreibwerkstatt am 25. Februar sind noch Plätze frei, Wiesentfelser Straße 68, 14 bis 17 Uhr. Weitere Kurse bei großer Nachfrage, Tel.:75 97 98 86

DER SIEBTE KINDER–KRIMIPREIS: EINSENDESCHLUSS: 4. MÄRZ

Zum siebten Mal hat Kultur & Spielraum heuer den Kinder-Krimipreis ausgeschrieben. Mitmachen können Kinder und Jugendliche von 9 bis 14 Jahren, Einsendeschluss: 4. März. Die Geschichte, beginnend mit dem vorgegebenen Satz: „Das Wetter war mild, es roch nach Frühling und die Glocken der Kirchturmuhr schlugen zwölf Mal“, soll drei Schreibmaschinenseiten umfassen. Geschickt wird sie dann, versehen mit Angaben zum Autor, an Kultur & Spielraum, Ursulastraße 5, 80802 München, Kennwort: Krimipreis.

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