Der Hanf-König von Aschheim macht dicht: "Der Spielplatz war der Sargnagel"
Es ist Montagnachmittag, der große Parkplatz vor dem Hanf-"Megastore" im Industriegebiet in Aschheim ist leer. Genauso leer wie der Mini-Spielplatz vor dem Rathaus der Gemeinde, der nur wenige Schritte entfernt ist – doch zu diesem kleinen, aber entscheidenden Spielplatz später mehr.
In der Saturnstraße 61 in Aschheim, in einem ehemaligen Rewe-Supermarkt, hat Vaclav Cerveny im Februar vergangenen Jahres einen Hanf-Supermarkt eröffnet. Auf 800 Quadratmetern gibt es hier jede Menge Utensilien, die man für den Anbau von Cannabispflanzen und den Konsum von Marihuana braucht.
Von der Pflanze bis zur passenden Beleuchtung und Erde. Aber es gibt auch Hanf-Tees und -fruchtgummis, Badezusätze, Öle, Cremes oder Shampoos aus dem Naturprodukt Hanf. Und es gibt sogar eine eigene Abteilung mit Babykleidung. "Die ist garantiert ohne Pestizide", schwärmt Cerveny. Die Kleider-Abteilung ist das Steckenpferd seiner Frau.

Sehr empfehlenswert seien auch die Schuhe aus Hanf – ideal für Menschen, die zu Schweißfüßen neigen, erklärt der Unternehmer. Da rieche nichts, ganz im Gegensatz zu Schuhen aus künstlichem Material.
Das Geschäft läuft offenbar prima, eine halbe Million Euro Umsatz habe er gemacht, seit er das Geschäft 2024 eröffnet habe. Trotzdem ist nun bald Schluss mit Haschheim in Aschheim. "Im Juli schließen wir", sagt Cerveny. "Der Spielplatz war der Sargnagel."
Ursprünglich hatte der umtriebige Unternehmer, der mal im Hilton am Tucherpark Restaurantfachmann gelernt und danach lange als Gastronom gearbeitet hat, in Aschheim noch mehr vor. Er wollte in einem Teil des Supermarktes auch einen Cannabisclub eröffnen, in dem Vereinsmitglieder Cannabis hätten anbauen können. Mit dem Cannabisgesetz der vorherigen Bundesregierung sah er neue Möglichkeiten. Seinen Businessplan habe er der Gemeinde vorgestellt.

Doch dann bekam das Rathaus in Aschheim offenbar kalte Füße, baute einen Mini-Spielplatz vors Rathaus, das nur rund 150 Meter vom Hanf-Supermarkt entfernt ist (AZ berichtete). Aus dem Club wird damit nichts mehr. Das Cannabis-Gesetz schreibt einen Mindestabstand von 200 Metern vor.
Ohne den Club trage sich das Ganze nicht, sagt Cerveny. Dafür sei die Miete von insgesamt 20.000 Euro zu hoch. "Das Club-Experiment ist gescheitert", sagt er. Cerveny fühlt sich von den Behörden in Bayern und der Justiz schikaniert. Doch ans Aufgeben denkt der 64-Jährige nicht. "Jetzt geht der Kampf erst richtig los", sagt er beim AZ-Besuch.
Dabei kämpft er eigentlich schon, seitdem er aus der Gastronomie ins Hanf-Geschäft gewechselt ist. Seit Cerveny 2017 seinen ersten Hanf-Shop in Bayern eröffnete, hat er nach eigenen Angaben bereits über 25 Razzien erlebt. Unzählige Kisten mit Hanf-Produkten wurden von der Polizei beschlagnahmt, später auch Pflanzen. 17 Verfahren seien gegen ihn angestrengt worden. "15 wurden eingestellt", so Cerveny.

In seinem Hanf-Supermarkt in Aschheim gibt es einen Raum, in dem sich in den Regalen Kisten stapeln mit Produkten, die ihm die Polizei einst abgenommen hatte und die er sich dann Jahre später wieder abholen konnte. "Schauen Sie, in der Zwischenzeit ist das Haltbarkeitsdatum abgelaufen", sagt Cerveny und zieht aus einer Kiste Packungen mit Hanf-Tee heraus.
Am kommenden Mittwoch muss sich der Gründer der Handelskette Hanf.com vor dem Amtsgericht in München verantworten. Sechs Jahre nach einer Razzia geht es in diesem Prozess um mutmaßliche Verstöße gegen das Konsumcannabisgesetz (KCanG). Konkret geht es um den Verkauf von Hanf-Tee und CBD-Blüten mit einem THC-Gehalt unter 0,2 Prozent.

Für Cerveny ist das Verfahren Ausdruck eines politischen Kurses: "Ich werde nicht nach Recht, sondern nach Ideologie verfolgt", sagt er. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe angekündigt, das neue Cannabisgesetz "extremst restriktiv" umzusetzen – nun werde die Justiz zum "verlängerten Arm dieser Ideologie".
Cerveny sieht sich zu Unrecht verfolgt. Die Gesetzeslage zu CBD sei widersprüchlich – insbesondere im Zusammenspiel von EU-Recht, dem BtMG und Urteilen von Verwaltungsgerichten. In anderen Bundesländern dürften Händler unbehelligt verkaufen. "Was in Berlin verkauft wird, wird in München beschlagnahmt", so Cerveny. Die bayerische Justiz verfolge einen Sonderweg und schaffe keine Gleichheit vor dem Gesetz. "Hier wird mit zweierlei Maß gemessen", so Cerveny.
Der Hanf-Unternehmer freut sich auf den Prozess, sagt er zur AZ. Das letzte Wort werde ja dann am Ende des Prozesses er haben. Und was er dann alles vor Gericht erklären werde, habe er schon vorbereitet: Mehr als 100 Seiten umfasse sein Statement.
Und mit seinem "Natur Erlebniswelt"-Supermarkt soll es das auch noch nicht gewesen sein. Cerveny ist derzeit auf der Suche nach einer neuen Ladenfläche in München. Rund 200 Quadratmeter soll der neue Laden haben. Er habe bereits mehrere Flächen angeboten bekommen: in Sendling, im Münchner Osten, sogar am Viktualienmarkt. Doch zu nah an der Filiale im Tal, die sehr gut laufe, soll das neue Geschäft nicht eröffnen.

Und Cerveny hat noch mehr vor: "Ich will in den Münchner Stadtrat und mich dort für die Rechte von Cannabis-Konsumenten und -Patienten engagieren." Auch ein Volksbegehren schwebt ihm vor. Geschäftlich hat er ebenfalls noch viel vor: "Unser Ziel sind 100 Filialen in zwei bis drei Jahren." Das Hanf-Geschäft ist offenbar einträglich. Laut Cerveny sind Investoren aus Israel eingestiegen. In Kürze werde Hanf.com mit einem anderen Unternehmen fusionieren, in den kommenden Monaten stehe der Börsengang bevor.
Und auch wenn es "Haschheim" in Aschheim bald nicht mehr gibt – der Name "Haschheim" bleibt. "Den habe ich mir als Marke schützen lassen", sagt der Hanf-Unternehmer.