Der gute Engel im Bierpalast

MÜNCHEN - Christa Slama organisiert im Hofbräuhaus zum 13. Mal Weihnachten für Obdachlose. Sie sammelt Spenden, beantragt Zuschüsse, reserviert den Festsaal - und verzichtet an Heiligabend auf die Gesellschaft ihrer Familie, um den Bedürftigen zuzuhören.
Eine Feier für 1000 Obdachlose ausrichten, während man mit der eigenen Familie unter dem Christbaum sitzen könnte – warum macht man das? „Wenn ich diese Menschen sehe, dann wird mir immer wieder klar, wie reich ich bin“, sagt Christa Slama.
Seit 13 Jahren organisiert die 64-Jährige „Weihnachten im Hofbräuhaus“, ein Fest des Katholischen Männerfürsorgevereins München für Leute, die auf der Straße leben. Seit 13 Jahren macht sie sich im Juni Gedanken, womit sie dieses Jahr die Geschenkpäckchen füllt. Seit 13 Jahren macht sie etliche unbezahlte Überstunden, um den Männern ein schönes Fest zu bereiten. Sie ist dann am 24. Dezember von sieben Uhr morgens bis zwei Uhr nachts auf den Beinen. Und sagt, das merke sie nicht einmal. „Ich habe Arbeit, eine Wohnung, Familie. All’ das haben die meisten dieser Menschen nicht.“
Dafür sammelt die Chefsekretärin des Vereinsgeschäftsführers unermüdlich Spenden, beantragt Zuschüsse, reserviert schon im August den Festsaal, sorgt für Sicherheitsdienst und Sanitäter, bestellt den Bus für den Rücktransport. Sie organisiert den Raumschmuck, die Tischdecken, Kerzenständer, die Liedtexte. Denn gesungen wird auch. Klassische Weihnachtslieder wie „Stille Nacht“. Und dabei fließen so manchem Raubein die Tränen über das wettergegerbte Gesicht.
An Heiligabend wollen die Odachlosen mehr denn je ein Teil der Gesellschaft sein
Wenn einer sagt, der Abend sei wunderbar gewesen, dann ist das für Christa Slama der schönste Lohn für all die Arbeit. Und wer glaubt, die Obdachlosen wüssten die musikalische Untermalung mit Zither und Gitarre, den Auftritt der Bläser der Münchner Philharmoniker oder die Lesung des Weihbischofs nicht zu schätzen, der täuscht sich gewaltig. "Die Männer stellen sich stundenlang an, um reinzukommen. Manche haben sich richtig fein gemacht. Sie wollen zur Gesellschaft dazugehören - erst recht an Weihnachten."
Das Fest im Hofbräuhaus ist zwar perfekt organisiert, aber der Abend hat vor allem eines: Herz. Die Obdachlosen sollen es schön haben. Die Atmosphäre ist warm, der Geschäftsführer begrüßt jeden mit Handschlag, einige sogar mit Namen. Das schafft Nähe. Und so soll es sein. Manche Ehrenamtliche sind an diesem Abend nur zum Zuhören da. Denn zu Weihnachten kommt bei den Männern so manches hoch.
Und dann erzählt Christa Slama, dass sie selbst im Alter von 52 Jahren die Arbeit verloren hat. Ein Schock. Sie war bei einem Großunternehmen tätig, im technischen Bereich. „Seitdem weiß ich, dass das jedem passieren kann. Plötzlich bist du ganz unten.“
Dann fand sie die Stelle beim Männerfürsorgeverein. Hier wurde es zu ihrer Aufgabe, an andere zu denken. Heute kann sie sich gar nichts anderes mehr vorstellen. „Meine Familie würde gern mit mir feiern. Aber denen geht es gut, die brauchen mich an diesem einen Tag im Jahr nicht. Die Obdachlosen dagegen viel dringender.“
Jutta Bissinger