Demo gegen Abschiebung: Ein Slum vor der Oper

Asylsuchenden aus Afghanistan droht die Abschiebung. Um auf ihre Not aufmerksam zu machen, zeigen sie ein Stück von Kabul auf dem Max-Joseph-Platz
Anne Kostrzewa |
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Ein junger Demonstrant vor einem Bild, das die erschütternde Realität in Afghanistan zeigt: Ein Mädchen in einem Notquartier.
Michael Burner 3 Ein junger Demonstrant vor einem Bild, das die erschütternde Realität in Afghanistan zeigt: Ein Mädchen in einem Notquartier.
„I mog di — ned abschieben“: So steht es auf den Luftballons.
Michael Burner 3 „I mog di — ned abschieben“: So steht es auf den Luftballons.
Auch dieser Mann demonstriert und verteilt Luftballons.
Michael Burner 3 Auch dieser Mann demonstriert und verteilt Luftballons.

Die laute Rap-Musik hört man schon von weitem. Drängt man sich durch die Weihnachts-Einkäufer, sieht man kurz darauf viele grüne Luftballons – und schließlich folgt die Verwunderung. Denn vor dem Nationaltheater steht ein Slum.

Mit Unterstützung des Bayerischen Flüchtlingsrats haben asylsuchende Afghanen am Samstagnachmittag aus Pappe und Folien eine kleine Hütten-Stadt konstruiert, mitten auf dem Max-Joseph-Platz. Mit diesem nachgebauten Armenviertel wollen sie Passanten auf die Lebenssituation in ihrer Heimat aufmerksam zu machen.

Auch Kinderzeichnungen und Fotos aus dem echten Slum in Afghanistans Hauptstadt Kabul haben sie aufgehängt. Sie zeigen ein Kriegsgebiet. Dennoch hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof den Abschiebestopp nach Afghanistan aufgehoben.

Zumindest in Kabul sei das Leben sicher und „auf niedrigstem Niveau“ wieder möglich, vor allem für junge Männer, so die Begründung. Aber die afghanischen Flüchtlinge – bayernweit sind es über 3000 – haben Angst vor der Rückkehr in ihr Land. „Wenn du in Afghanistan morgens aufstehst, weißt du nicht, ob du abends noch leben wirst“, sagt Flüchtling Jamal N. (26).

Mit den anderen jungen Asylsuchenden verteilt er Luftballons mit aufgedruckten Herzen. „I mog di – ned abschieben“, steht darauf. Unterschriftenlisten werden herumgereicht. „Wir müssen Aufmerksamkeit schaffen“, erklärt Tobias Klaus vom Flüchtlingsrat, „die Politik soll merken: wenn abgeschoben wird, wird es laut.“

Auch Ramiz A. will nie mehr nach Afghanistan zurück. „Wer in Kabul keine Macht hat, hat keine Chance“, meint der 23-jährige Flüchtling. Dass sein Land jemals wieder ein sicherer Ort zum Leben sein könnte, glaubt Ramiz nicht. Er selbst sei in Kabul mehrmals brutal verprügelt worden, konnte einmal nur knapp entkommen, als jemand mit einer Pistole auf ihn zielte. Er zeigt seine Narben an Armen und Händen.

Seit zwei Jahren lebt Ramiz in München. Er spricht fließend Deutsch, hat einen Ausbildungsplatz. Trotzdem muss Ramiz jeden Tag damit rechnen, zu einer weiteren Anhörung geladen zu werden.

Kann er die Richter dann nicht von den Gefahren seiner Heimatstadt überzeugen, droht auch ihm die Abschiebung. Umso mehr kämpft er für ein dauerhaftes Bleiberecht. Damit er seinen Anwalt bezahlen kann, arbeitet er neben der Ausbildung an den Wochenenden als Kellner.

„Noch nie habe ich vom deutschen Staat Geld bekommen“, betont er immer wieder. „Und ich will auch keines.“ Denn wie alle anderen jungen Afghanen, die an diesem Samstag auf dem Max-Joseph-Platz stehen, will Ramiz in München nur eines: „In Sicherheit leben. Endlich keine Angst mehr haben.“

 

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