Demo: Aktivisten fordern den Isar-Boulevard

Umweltverbände werben mit einer Aktion für eine autofreie Promenade am Fluss. Im Juli sollen Münchner die schon mal testen können.
von  Eva von Steinburg
Wolfgang Czisch mit Münsteraner Finn: Der Vater der Isarrenaturierung will einen autofreien Isar-Boulevard.
Wolfgang Czisch mit Münsteraner Finn: Der Vater der Isarrenaturierung will einen autofreien Isar-Boulevard. © Daniel von Loeper

München - Die breite Erhardtstraße parallel zur Isar – heute ist sie eine rein praktische, schnöde Trasse für Blechlawinen – vor allem für Durchgangsverkehr. Vor 100 Jahren war das anders angedacht. Besonders gut weiß das Helmut Gottschling, Pfarrer von St. Lukas. Als seine evangelische Kathedrale 1896 geweiht wurde, zeigte das mächtige Portal direkt auf den Prachtboulevard an der Münchner Isar: Droschken waren hier unterwegs und Flaneure mit zierlichen Sonnenschirmen. "Der Isar-Boulevard ist kein Phantom, den gab es schon einmal. Der Boulevard war damals ein Aushängeschild von München", weiß Gottschling.

Zur Aktion "autofreier Isar-Boulevard" von über zwölf Umwelt- und Kulturorganisationen, ist der Pfarreram Dienstag mit Labrador Moritz an der Leine von der Kirche bis zur Reichenbachbrücke spaziert: "Die Aufenthaltsqualität an der Isar ist schaurig!", so sein Resümee.

Wolfgang Czisch mit Münsteraner Finn: Der Vater der Isarrenaturierung will einen autofreien Isar-Boulevard.
Wolfgang Czisch mit Münsteraner Finn: Der Vater der Isarrenaturierung will einen autofreien Isar-Boulevard. © Daniel von Loeper

Isar-Boulevard: Spontandemo mit Rollrasen

Vor dem Reichenbachkiosk hat er Aktivist Benjamin David zur "Spontandemo" getroffen. David hatte am Dienstag zwei Fahrspuren der Wittelsbacher Straße von der Polizei sperren lassen: Seine Mitstreiter vom Verein Isarlust, vom Bund Naturschutz, vom Münchner Forum und vielen Umweltorganisationen hatten den grauen Asphalt für zwei Stunden mit 50 Quadratmetern grünem Rollrasen belegt.

"Wir wollen die Verkehrswende mit dem autofreien Isar-Boulevard von der Kennedybrücke bis zur Brudermühlbrücke", fordert Demo-Initiator David: "Der Stadtrat kann die Autos von der Isar-Tangente mit einer einfachen Mehrheit verbannen!" Das Thema Isarraum steht am Mittwoch auf der Tagesordnung im Stadtrat, könnte aber vertagt werden.

Sanierungen: Chancen für Neuordnung des Verkehrs

Statt einer dauerhaften Umgestaltung kommt also erst einmal ein Test: Am 7. Juli will David den Isar-Boulevard auf 4,5 Kilometern für Autos sperren lassen.

Wolfgang Czisch vom Münchner Forum wird dann wieder seinen Hund mitbringen. Der frühere SPD-Stadtrat argumentiert: "Die Ludwigsbrücke wird 2020 für zwei Jahre zur Sanierung gesperrt. Die Autos müssen sowieso ausweichen. Das ist die Gelegenheit, dass die Politik spürt, dass der Durchgangsverkehr hier nicht laufen muss – und Erholungsflächen möglich sind". Zudem müssen die Kaimauern der Isar standfest gemacht werden: "Die Chance den Verkehr neu zu ordnen."

Isar-Boulevards - Ein Raum zum Aufatmen

Ulrike Bührlen vom Verein Isarlust hat die Vision, dass die Stadt hier später mal Treppen und Balkone zur Isar hinunter bauen wird. Sie sieht auf der Erhardtstraße Rollerblader und Rasenflächen: "Hier sollte sich nicht Würstchenbude an Würstchenbude reihen. Aber in einer immer dichter und stressiger werdenden Stadt, wäre die autofreie Isartangente ein wertvoller Raum, den die Münchner brauchen."

Auch der katholische Pfarrer von St. Maximilian in der Auenstraße ist ein Verfechter des autofreien Isar-Boulevards. Rainer Maria Schießler meint: "Ich sehe diese Aktion als Ausrufezeichen. Ich habe um meine Kirche herum ja gar keinen Platz für einen Christkindlmarkt."

Der Pfarrer appelliert an die Vernunft: "Jeder wüscht sich weniger Verkehr. Wir brauchen hier eine Änderung."


Lärmbelastung: Das sagen zwei Händlerinnen

Sie sind lärmgeplagt: Die Mitarbeiterinnen von "Isarflimmern – Literatur & Geschenke" an der Ecke Fraunhoferstraße/Auenstraße. Inhaberin Désirée Westphal: "Der Standort an der Isar ist einerseits ein Geschenk, aber hier ist ein Knotenpunkt. Es ist extrem. Wir haben den ganzen Tag Geräusche. Die Autofahrer brüllen, hupen. Die Autoreifen holpern laut über die Trambahnschienen. Und wenn die Ampel auf Grün steht, treten Autofahrer aufs Gas. Ich kann kaum in Ruhe telefonieren."

Polina Zinoviev: "Wir messen um die 60 Dezibel im Buchladen. Und in jedem Auto sitzt nur ein Mensch... Es gibt Tage, da macht mich der Autolärm aggressiv, ich gehe mit Mordgelüsten nach Hause. Eine Fußgängerzone vor der Tür wäre richtig gut".

Sie leiden jeden Tag unter den Automassen an der Isar: Polina Zinoviev (l.) und Désirée Westphal.
Sie leiden jeden Tag unter den Automassen an der Isar: Polina Zinoviev (l.) und Désirée Westphal. © Daniel von Loeper

CSU will Temporäre Fußgängerzonen

Die CSU im Stadtrat möchte Autos in der warmen Jahreszeit aus einzelnen Straßen verbannen. In jedem Stadtbezirk solle ein geeigneter Straßenabschnitt zu einer temporären Fußgängerzone werden können – allerdings nicht den ganzen Sommer über, sondern nur an wechselnden Sonntagen. Das Projekt soll nach der Vorstellung der CSU zunächst für ein Jahr zur Probe laufen. Neu ist die Idee nicht, auch die Grünen haben schon autofreie Sommerstraßen gefordert.

Lesen Sie hier: Isar-Boulevard? München setzt auf Autos

Lesen Sie hier: Beschluss im Stadtrat - München will die Verkehrswende!

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