Demjanjuks Schicksal ungewiss

Washington/Berlin (dpa) - Das Schicksal des mutmaßlichen NS-Verbrechers John Demjanjuk bleibt ungewiss: Nachdem die Abschiebung des 89-Jährigen aus den USA nach Deutschland im letzten Moment auf Grund eines Gerichtsbeschlusses gestoppt wurde, stehen nun weitere juristische Auseinandersetzungen bevor.
Der Sprecher der Familie, Ed Nishnic, kündigte an, dem Berufungsgericht in Cincinnati (Ohio) den «schlimmen Gesundheitszustand» seines Ex- Schwiegervaters schildern zu wollen. Eine Abschiebung des gebürtigen Ukrainers, der während der Nazi-Zeit an der Ermordung von 29 000 Juden im Vernichtungslager Sobibor im besetzten Polen mitgewirkt haben soll, wäre «Folter».
Die Bundesregierung hofft auf eine schnelle Entscheidung. Man gehe von einem zügigen Verfahrensabschluss aus, sagte ein Sprecher des Justizministeriums in Berlin. Zugleich betonte er, es handele sich um ein innerstaatliches US-Verfahren. Die deutschen Behörden kämen ins Spiel, wenn sich Demjanjuk in Deutschland befinde.
«Wir müssen nun abwarten, wie die amerikanischen Gerichte letztendlich entscheiden werden», sagte auch der Münchner Oberstaatsanwalt Anton Winkler. «Wie lange eine endgültige Entscheidung dauern wird, kann von unserer Seite nicht beurteilt werden.»
Die Abschiebung des 89-Jährigen nach Deutschland war gestoppt worden, nachdem er schon auf dem Weg zum Flughafen war. Das US- Berufungsgericht in Cincinnati gab dem Gesuch Demjanjuks statt, der sich mit einem Verweis auf seine angeschlagene Gesundheit gegen eine Abschiebung gewehrt hatte. Noch am Dienstagabend konnte Demjanjuk wieder nach Hause zurück kehren.
Zuvor hatten sechs Beamte der US-Einwanderungsbehörden ihn in seinem Haus in Seven Hills bei Cleveland (Ohio) festgenommen und abgeholt. Demjanjuk war den Behörden zufolge zuvor von einem Arzt untersucht worden, bevor er in einem Rollstuhl zum Wagen der US- Immigrationsbehörden gebracht wurde.
Das Ringen um die Abschiebung Demjanjuks aus den USA nach Deutschland dauert bereits seit Wochen. Das Amtsgericht München hatte im März Haftbefehl gegen ihn erlassen.
Demjanjuk war nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in einem Flüchtlingslager bei München untergetaucht und 1952 in die USA ausgewandert. Als seine Mitwirkung am Holocaust Ende der 70er Jahre bekanntwurde, lieferten ihn die USA 1986 an Israel aus. Dort wurde er wegen seiner angeblichen Tätigkeit als grausamer Wachmann «Iwan der Schreckliche» im Vernichtungslager Treblinka angeklagt und zum Tode verurteilt. Der Oberste Gerichtshof Israels sprach Demjanjuk aber 1993 frei, da seine Identität nicht einwandfrei geklärt werden konnte.