Demjanjuk: Die Stunde der Überlebenden
MÜNCHEN - Sie haben die Hölle ausgehalten - und leben noch, um im Prozess gegen den mutmaßlichen Kriegsverbrecher John Demjanjuk auszusagen. Am Mittwoch erzählen Thomas Blatt und Philip Bialowitz ihre Geschichte.
Mit der Aussage von Überlebenden des Vernichtungslagers Sobibor ist am Mittwoch der Prozess gegen den mutmaßlichen NS-Verbrecher John Demjanjuk fortgesetzt worden. So berichtete unter anderem der 82-jährige Thomas Blatt am Rande der Verhandlung vor dem Landgericht München, es gehe ihm nicht darum, an Demjanjuk Rache zu nehmen.
Der gebürtige Ukrainer ist angeklagt, 1943 bei der Ermordung von 27 900 Juden in den Gaskammern von Sobibor geholfen zu haben.
Blatt sagte vor Gericht, er habe sich in den 60er Jahren mit dem SS-Aufseher aus Sobibor, Karl Frenzel, getroffen. Vier Stunden hätten sie miteinander geredet. Frenzel habe damals gesagt, dass es ihm leid tue. Blatt berichtete auch von den Gräueln in Sobibor: Als er beim Lager ankam, habe ihm ein Bekannter aus seinem Heimatdorf gesagt: "Die Flammen, die du dort siehst, kommen von der Verbrennung deiner Eltern." Er habe in diesem Moment dennoch nicht weinen können. "Sobibor war wie ein anderer Planet."
Kurz vor Mittag wurde die Verhandlung nach einem Streit zwischen Demjanjuks Anwalt Ulrich Busch und Richter Ralph Alt unterbrochen - Busch hatte den Vorsitzenden kritisiert.
Am Donnerstag wird auch der zweite geladene Zeuge Philip Bialowitz (84) aussagen. Ihm gehe es nicht um Demjanjuk, er wolle vielmehr die Geschichte noch einmal erzählen, sagte er zuvor. Blatt und Bialowitz hatten die Vernichtungsmaschinerie des Lagers überlebt. Sie waren zur Arbeit eingesetzt und konnten bei einem Aufstand im Oktober 1943 fliehen. Beide leben in den USA und treten auch als Nebenkläger auf – ihre Familien starben in Sobibor.
Richter Alt kündigte an, dass er notfalls auch ohne den Angeklagten verhandeln werde. Sollte sich Demjanjuk am Donnerstag unwohl fühlen, aber keinen ärztlichen Befund vorweisen können, ginge es notfalls auch ihn.
dpa/J. Schneider
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