David Bowie auf Deutsch: Die Flüsterschwestern von München

Die beiden Künstlerschwestern Anina und Anouschka Doinet lieben nichts mehr als die künstlerische Arbeit von David Bowie, dessen zeitlose Musik in ihren Augen der Soundtrack vieler unterschiedlicher Leben war und ist. So kam ihnen vor einigen Jahren, als sie gerade mit dem GOP-Varieté-Theater auf Tour waren, die Idee, die Werke ihres Vorbilds in deutscher Sprache darzubringen und sie nutzten längere Autofahrten, um einige seiner Songs werktreu zu übersetzen.
Entstehung des Projekts „Bowie Deutsch“
Im Lauf der Monate entstand ein ungewöhnliches und feinsinniges Projekt samt tollen Choreografinnen, Toningenieuren, Videokünstlern und Lichtzauberern, die eine umfangreiche Show voller Licht, Schatten, geheimnisvollen Filmeinspielern und originellen Bühneneinfällen ersonnen, sowohl für große Häuser, aber genauso geeignet für kleinere Bühnen.
Für „Absolute Laien“ („Absolute Beginners“) wurde mit Drohnen und Stadttauben über München geflogen. Diese Aufnahmen waren alles andere als einfach, weil nicht alle Tauben so solidarisch waren, wie gewünscht. Anina: „Als das umfangreiche Kamerateam bereitstand und wir die Schwabinger Tauben mit etwas Futter anlocken wollten, signalisierten die graugefiederten Tiere uns: Nee, da stimmt doch irgendwas nicht.“
Anouschka: „Sie saßen quasi wie die Tauben auf der Stange in der Nähe und trauten sich nicht zu uns rüber. Wir mussten den Dreh also verlegen.“ Der zweite Drehtag fand am Hauptbahnhof statt. Anouschka: „Dort waren die Tauben wesentlich kooperativer.“
In einer sensiblen Entwicklungsphase sind Ratschläge von außen nicht immer hilfreich. Nun stellte sich aber die Frage: Dürfen wir das überhaupt? David Bowie, der Urheber, war bereits verstorben – was also tun? Eine umfassende Recherche ergab, dass Bowies Sohn Duncan einen berühmten Patenonkel hat, nämlich keinen Geringeren als das Monty-Python-Gründungsmitglied Eric Idle, mit dem eine gute Bekannte von Anouschka befreundet ist. Der Kontakt wurde hergestellt und wenige Tage später kam die offizielle Erlaubnis von Duncan persönlich! „Bowie Deutsch“ wurde wie gewünscht realisiert und erfreut sich großer Beliebtheit. Der Meister selbst hätte dieses Projekt gewiss geliebt.
Kreative Kindheit und erste Bühnenmomente
Anina und Anouschka sind beide in der Münchner Taxisklinik geboren, einer ihrer Großväter war Franzose, eine Großmutter Engländerin, die anderen Großeltern kamen aus Biberach an der Riß. Ihre Mutter war Journalistin, der Vater, der von allen Menschen „Rupp“ genannt wird, ist ein vielseitiger Dichter, der philosophisch-herzlich-lustige Lyrik verfasst, unter anderem über den von ihm geschaffenen „Gruselgraus“.
Die Eltern gaben stets Rückhalt und ließen ihre beiden Töchter alles ausprobieren. So war auch sprachlich-kulturell immer einiges los. Was zur Folge hatte, dass die zwei Schwestern niemals in irgendwelchen Ortskategorien über Menschen, Konfessionen oder Nationalitäten nachdachten und bis heute äußerst weltoffen die Kunstwelt bereichern.
Sie lieben München, mögen aber immer den Ort am liebsten, an dem sie gerade arbeiten. Manchmal nehmen sie sogar den jeweiligen Dialekt an, sei es in Wien, Hannover oder Baden-Württemberg. Beide besuchten das Käthe Kollwitz-Gymnasium in Neuhausen, hatten schon sehr früh Musikunterricht mit einer sehr vielseitigen Lehrerin, die sagte: „Wenn ihr keine Lust mehr auf Klavier habt, probiert doch mal Flöte. Wenn euch das keinen Spaß mehr macht, dann singt.“
Sie hatten bereits in der Grundschule kleine, hübsche Mini-Aufführungen. Besonders Aninas Klasse zeichnete sich durch ausgesprochene Kreativität aus. Sie gewannen sogar, als sie in der fünften Klasse waren, eine siebentägige Reise an die Côte d’Azur.
Von der Zenetti-Bühne zur Rocky’s Crazy Horror Show
Zur gleichen Zeit performte Anouschka Broadway-musical-artige Shows auf der seinerzeit aktiven „Zenetti-Bühne“, die in etwa so groß war wie ein Esstisch. Die fünf Jahre jüngere Anina hat sich das alles immer angeschaut und rasch bemerkt, dass die Kunst auch etwas für sie sein könnte. Langsam, aber stetig wuchs sie hinein.
Im Bel Etage über dem Drugstore am Wedekindplatz nahe der Münchner Freiheit geschah es dann, wie in manchem guten Hollywood-Film, dass die jüngere Schwester zunächst hinter den Kulissen mithalf, und plötzlich auf der Bühne stand, weil jemand ausfiel. 1991 entstand Rocky’s Crazy Horror Show mit Sandrina Sedona, Bob Eberl, Eva Windisch, Manni Gruber und zahlreichen weiteren kunterbunten Münchner Kulturschaffenden; insgesamt waren zehn Leute beteiligt, die bis heute eng verbunden sind.
So gibt es mit vielen der einstigen Truppenmitglieder gerade eine Neuauflage der Show in bairischer Mundart, quasi ein Rockkonzert-Spektakel als Parodie auf die Rocky Horror Picture Show in den Gemäuern der oberpfälzischen Burgruine Runding, mit Helmut A. Binser als Erzähler und den beiden Doinet-Madames wie einst als Janet und Columbia, allerdings diesmal mit den Rollennamen Resal und Vroni.
Der bairische Brad trägt übrigens den Namen Toni. Also heißen die beiden Hauptfiguren Toni und Vroni. Die Laufbahn der Doinet-Schwestern entwickelte sich ganz natürlich weiter, stets standen die Schöpferkraft und der Spaß im Vordergrund, auch bei todernsten Themen. Nach diversen Engagements entstanden Eigenproduktionen, und dank der schon damals wunderbaren Vernetzung fanden sich stets Wunsch-Mitstreiterinnen und Mitstreiter.
Kontinuierlich entwickelten sie sich weiter, machten Gesangs-, Schauspiel- und Tanzausbildungen, unter anderem an der Bayerischen Theaterakademie, wirkten an diversen Staats- und Stadttheatern, teils auch als Solistinnen, und übernahmen jahrelang die künstlerische Leitung des legendären Münchner Restaurants Nektar, wo die Gäste im Stil römischer Dekadenz auf bequemen Polstern liegend kulinarische Köstlichkeiten und extravagante Kunst genießen konnten.
Das Bühnenstück „Schwesternterz“
Eines Tages schlug ein Freund vor, doch mal ein Stück über das Schwesternsein zu realisieren, was ihnen zunächst zu banal und naheliegend vorkam, da ihr Fokus tendenziell auf abseitigen Motiven lag. Doch sie setzten sich damit auseinander und freundeten sich immer mehr mit der Thematik an. Eines Tages entstand das heitere Bühnenstück „Schwesternterz“, das beim Publikum keineswegs traditionell, sondern vielmehr rebellisch und subversiv rüberkam.
Gleichzeitig sprudelten die Projekteinfälle so zahlreich, dass sie sich einen „Ideenstopp“ auferlegten. Doch diese Phase hielt nicht lange an: Bei der Feierlichkeit einer Freundin der Eltern anlässlich eines runden Geburtstags mussten Anina und Anouschka mit lauter Achtjährigen am Kindertisch Platz nehmen. Dort saßen sie schließlich schon immer, wozu sollte man das ändern? Dass sie beide schon längst erwachsen waren, störte niemanden.
Die zwei Frauen alberten gut gelaunt mit den Kindern herum, zeigten ihnen, wie man mit Helium aus Luftballons die Stimme heller machen kann und veranstalteten allerlei Unfug. Als eines der Kinder vorschlug, etwas Gemeinsames zu singen, kam, um die anderen Gäste nicht zu stören, die Idee auf, einer Person leise parallel ein Lied in die Gehörgänge zu singen.
Sie setzten also eines der Kinder auf einen Stuhl und sangen ihm, eine von links, eine von rechts, „Rocking Back Inside My Heart“ aus Twin Peaks in die Ohren. Rasch keimte auch bei den restlichen Partybesuchern der Wunsch, beflüstert zu werden. So entstand der Stereo-Flüstergesang, der bis heute auf Events jeder Art von den beiden Doinet-Schwestern in hinreißenden Outfits wie gepunkteten Kleidchen, Klarsichtfolien-Knister-Anzügen, Pailletten-Spiegel-Discogewändern oder Schneeflöckchen-Kostümen praktiziert wird. Es ist ein durchaus bezauberndes Gefühl, auf einer Gala ein kleines, persönliches Lied zu empfangen, das nur im eigenen Kopf erklingt, während rundherum alles weitergeht. Der Stuhl, auf dem die besungene Person sitzt, ist die Bühne, der Song ein Miniatur-Showprogramm.
Davon inspiriert stießen die schöpferischen Flüsterschwestern auf diverse invasive Theatergruppen, genießen es bis heute, Tiefe, Vielfalt und dramaturgische Verschiedenartigkeit zu transportieren. Sie lieben es, die Differenz zwischen Publikum und Künstlern aufzuheben, es gären zahlreiche wunderbare Projekte in den beiden Akteurinnen. Die Münchner Kulturwelt wird gewiss noch oft von ihnen beschenkt, denn beide sind sowohl eine Einheit als auch jede für sich ein eigenständiges invasives Theaterstück.