Das Zarengold von der Dult
MÜNCHEN/TRAUNSTEIN - Ein Chiemgauer Flohmarktgänger fand auf der Auer Dult einen Trinkbecher vom Hof-Juwelier des Zaren - - ein wahres Prunkstück, das für Sammler gut und gerne einen fünfstelligen Betrag wert ist.
Der spektakuläre Fund liegt schon mehrere Monate zurück: Im vergangenen Jahr fuhr der sammelbegeisterte Klaus-Dieter Holst (65) aus Grassau extra nach München, um sich auf den hiesigen Flohmärkten umzuschauen. Auf der Auer Dult entdeckte er einen Trinkbecher aus Silber und Gold, in den er sich auf den ersten Blick verliebte. Für ein paar Euro wechselte das Trinkgefäß den Besitzer. Inzwischen weiß Klaus-Dieter Holst, dass er ein wahres Prunkstück eines Zaren-Juweliers erstanden hat, der für Sammler ein Vermögen wert ist.
Doch davon ahnte der Flohmarktgänger zunächst nichts, als er den 13 Zentimeter hohen, 180 Gramm schweren Becher zwischen Trödel und Krimskrams entdeckte. Zu Hause nahm der Sammler seine Neuerwerbung genauer unter die Lupe. Er stieß auf einen seltsamen Stempel und eine Inschrift. Der Anlass für eine umfassende Recherche.
Bis 13.000 Euro wert
Die Sensation war perfekt, als sich der Sammler an die BR-Sendung „Kunst und Krempel“ wandte. Vor wenigen Wochen wurde der Becher dort gefilmt, begutachtet und auf einen Wert von mindestens 10 000 bis 13 000 Euro taxiert hatte. (Ein Sendetermin steht noch nicht fest).
Demnach stammt der russische Silbertrinkbecher aus dem Jahre 1883 und wurde in St. Petersburg von Meister Sazikov, dem Juwelier und Silberschmied des Zaren, gefertigt. Sazikov gehörte - kurz bevor Fabergé für den Hof tätig wurde - zum weltberühmten russischen Trio von Silberschmieden mit Chlebnikow und Owchinnikov.
Cuppa aus purem Gold
Der untere Teil des Kelchs ist aus Silber, gestempelt mit „84“ und St. Petersburger Punze, was 875-er Silber der Meistermarke Sazikov entspricht. Der Kunsthistoriker Carl Ludwig Fuchs aus Dessau als Experte von „Kunst und Krempel“ fand einen weiteren kleinen, sehr bedeutsamen Stempel auf der Cuppa, dem oberen Becherteil. Demnach ist die Cuppa keineswegs silbervergoldet. Sie ist aus purem Gold.
Dort sind der Name „Rothermundt“ eingraviert und die Datierung „1883“, dazu der Text: „Ich singe, wie der Vogel singt/ Der in den Zweigen wohnet/Das Lied, das aus der Kehle dringt/Ist Lohn, der reichlich lohnet./Doch darf ich bitten, bitt ich eins:/Laßt mir den besten Becher Weins/In purem Golde reichen.“
In den Palast von St. Petersburg?
Von wem dieser Text stamme, fragte Experte Fuchs bei der Fernsehaufzeichnung. Klaus-Dieter Holst erinnerte sich an seinen Lehrer, der immer sagte: „Meistens ist es Johann Wolfgang von Goethe oder Schiller, zeitweilig auch Uhland. Ich tippe auf Johann Wolfgang von Goethe.“ Das bestätigte Carl Ludwig Fuchs. Er zitierte aus Johann Wolfgang von Goethe Gedicht Der Sänger: „Die Gravur gibt die vorletzte Strophe wieder.“
Zur Verblüffung der Zuschauer im Max-Joseph-Saal der Residenz kam die bundesweit bekannte vereidigte Sachverständige Haidrun Wietler auf einen mindestens fünfstelligen Wert für den Mini-Pokal. Sammler, vor allem aus Russland, würden bei einer Auktion möglicherweise noch deutlich mehr dafür zahlen.
Holst recherchierte, dass bei einer Nachlassversteigerung des weltberühmten Cellisten Mstislav Rostropovich bei Sothebys in London für die Gemälde, Orden- und Porzellansammlung aus der Zarenzeit statt erwarteter 25 Millionen rund 75 Millionen Dollar erzielt wurden.
Ein Milliardär namens Usmanov hatte alles gekauft – für den jüngst renovierten Palast in St. Petersburg, in dem der jetzige Ministerpräsident Wladimir Putin Staatsgäste empfängt.
Vielleicht findet sich dort ja auch noch ein Plätzchen für den Zarenbecher von der Auer Dult.
M. Kretzmer-Diepold