„Das Wetter läuft chaotisch ab“
MÜNCHEN - Von wegen Frühling! Nach ersten warmen Tagen bringt polare Kaltluft den Winter zurück nach Bayern. Die Folge: Schnee, Wind und Kälte. Ein Experte sagt, warum das so ist und was er für die nächsten Tage erwartet.
In der Nacht, fast heimlich, aber überhaupt nicht leise, ist gestern der Winter nach Bayern zurückgekehrt. Und das, obwohl erst vor ein paar Tagen kalendarischer Frühlingsbeginn war. Eisschlecken im Café, lange Spaziergänge im T-Shirt – das Wetter macht solche Frühlingserlebnisse im Moment unmöglich. Im Gegenteil: Orkanböen schüttelten die Bäume durch. Die Winterstiefel mussten wieder aus dem Schrank geholt werden. Und der deutsche Wetterdienst gab in den Gebirgsregionen sogar Unwetterwarnungen wegen Sturm heraus.
Für viele Fahrer kamen die Warnungen zu spät. Wegen 25 Zentimeter Neuschnee blieben auf der Autobahn A7 bei Füssen mehrere Lkw liegen. Bei Oberostendorf prallte ein 20-Jähriger mit seinem Fahrzeug gegen eine 30 Meter lange Tanne, die wegen dem starken Wind auf die Straße gefallen war. Dieses Wetter-Phänomen hat einen Namen: Märzwinter. Meteorologe Gery Keller vom Wetterdienst Meteomedia erklärt, wie es dazu kommen kann.
AZ: Herr Keller, was ist der Märzwinter?
GERY KELLER: Darunter versteht man einen Kälteeinbruch.
Ist das für diese Jahreszeit ungewöhnlich?
Nein. Der Märzwinter kommt fast jedes Jahr vor. Es fällt einfach nur mehr auf, weil es im März ja auch frühlingshaft warm sein kann mit Temperaturen bis 20 Grad. Aber es kann eben auch das andere Extrem auftreten: Kälte und Schnee.
Was ist gestern aus meteorologischer Sicht passiert?
Die für das Wetter relevanten wetterlenkenden Strömungen werden in fünf Kilometer Höhe gemessen. Dort hatte die polare Kaltluft gestern eine Temperatur um Minus 35 Grad. Diese kalte Luft war sehr feucht und hat mit der dazugehörigen Front intensive Niederschläge ausgelöst.
Es hat ja sogar geschneit.
In München hat es im Laufe der Nacht in der Innenstadt ungefähr vier Zentimeter geschneit. Auf der Zugspitze sind 40 Zentimeter Neuschnee gefallen.
Und wie ist der starke Wind zustande gekommen?
Über Europa gab es zwei Druckgebilde: ein Tief über Osteuropa und ein Hoch über dem Atlantik. Je größer der Druckunterschied zwischen einem Hoch und einem Tief ist, umso stärker wird der Wind. Wie sind die Wetteraussichten für heute?
Gestern gab es typisches Aprilwetter, es war wechselhaft, es gab Graupelschauer, aber auch trockene Phasen. Heute wird es am Vormittag leicht schneien, am Nachmittag und Abend könnten die Niederschläge noch heftiger werden. Die Temperaturen werden sich bei 0 bis Minus 1 Grad einpendeln.
Heißt das, dass es auch in den nächsten Wochen noch eher kalt bleibt?
Am Wochenende wird es wechselhaft und kühl bleiben, es wird Schauer geben und ab und zu ein bisschen Sonne. Eine Prognose für die nächsten Wochen kann ich aber nicht abgeben. Das Wetter läuft chaotisch ab, man kann es mit keiner mathematischen Gleichung ausrechnen. Die Kurven gehen nach oben und nach unten. Das Wetter lässt sich auch nicht in irgendeine Bauernregel hineinzwängen.
Gibt es trotzdem eine Bauernregel, die Sie gelten lassen?
Bei den Siebenschläfern mache ich eine Ausnahme. Es heißt ja, dass das Wetter am 27. Juni ein Omen für den ganzen Sommer ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass das stimmt, liegt immerhin bei 70 bis 80 Prozent.
Verena Duregger
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