Das miese Geschäft mit der Wohnungsnot
München - Ein Apartment, 30-Quadratmeter, komplett eingerichtet, Internetanschluss und Strom inklusive – für 350 Euro warm. Für München ein Schnäppchen. Ein Angebot, das sich die AZ mal näher angesehen hat.
Die 1-Zimmer-Wohnung liegt in Milbertshofen – mehr gibt das Inserat nicht her. Die Fotos versprechen neue Möbel und ein saniertes Badezimmer. Die vermeintliche Vermieterin ist nur per Mail zu erreichen, antwortet aber prompt: „Die Wohnung ist für sie bereit.“ Ihre persönliche Lage erklärt sie in schlechtem Deutsch, aber sehr ausführlich: „Ich habe in dieser Wohnung zwei Jahre lang mit meinem Verlobten gelebt. Im vorigen Jahr haben wir uns getrennt.“ Jetzt vermietet sie.
Wegen eines neuen Jobs lebe sie nun in Madrid. „Ich bin nicht im Stande, Spanien zu verlassen“, schreibt sie. Unter einer Bedingung würde sie die Schlüssel per Post nach Deutschland schicken: drei Monatsmieten Kaution im Voraus – 1050 Euro.
12,50 Euro Miete kostet der Quadratmeter in dieser Lage. Das Angebot liegt weit darunter. Doch wer sich auf den Deal einlässt, sieht die Kaution nie wieder. Marcus Drost vom Mietportal Immobilienscout24.de kennt die Masche. „Vor allem dort, wo der Mietmarkt eng ist, gibt es solche Betrügereien.“ Demnach ist München das reinste Dorado.
Die Zahl der Betrügereien steigen. Immobilienscout24 löscht jede Woche rund 300 solcher Betrüger-Inserate. Im konkreten Fall geht es um 1050 Euro. Manchmal um 300 Euro – oder auch 1400 Euro.
Die angebliche Vermieterin der Wohnung in Milbertshofen erklärt, wie der Deal ablaufen soll: „Sie machen eine Anzahlung von 1050 Euro mit Western Union auf meinen Namen und meine Adresse in Spanien.“ Als Beweis für ihre Redlichkeit mailt sie die Kopie ihres Personalausweises – damit will sie das Geld abholen. Das Problem: Western Union ist ein reiner Transferdienstleister. Geld kann nur verschickt, aber nicht wie bei einer Lastschrift zurückgeholt werden. Es ist einfach weg.
„Personalausweise sind schnell gefälscht“, heißt es im Kommissariat 75 bei der Münchner Polizei, das für solche Betrugsfälle zuständig ist. Bis zu zehn Anzeigen wegen versuchter Kautionsbetrügereien laufen pro Woche auf. Besonders viele sind’s zu Semesterbeginn. Die Polizei ist machtlos.
Zwar erhalten die Ermittler vom Immo-Portal die IP-Adresse, unter der die Betrüger ihre Inserate einstellen. Die Betrüger arbeiten aber meist von Internetcafés aus oder nutzen technische Hilfsmittel, um zu verschleiern, wo auf der Welt sie ins Netz gehen. Ihre E-Mail-Adressen melden sie auf Fantasienamen an. Donald Duck oder Jack Black sind besonders beliebt.
Komplett gefälscht sind die Inserate oft nicht. Auch nicht das Angebot, das der AZ vorliegt: Die Wohnung liegt in der Schleißheimer Straße 330. Dort vermietet das Unternehmen Uni Apart luxuriöse Studentenwohnungen. Die Eckdaten stimmen: 30 Quadratmeter, voll eingerichtet – nur der Preis stimmt nicht. Laut Hausverwaltung kosten die Wohnungen bei Uni Apart pro Monat mindestens 508 Euro. Sie günstiger unter zu vermieten, ist nicht erlaubt.
Ein letzter Versuch. Ob sich die angebliche Vermieterin doch zu einer Vorab-Besichtigung überreden lässt? Keine Chance. „Ich habe eine gute Freundin, die auf meine Wohnung aufpasst. Leider ist sie im Urlaub.“ Die Telefonnummer der Bekannten könne sie – leider, leider – nicht herausgeben, auch sie selbst ist telefonisch nicht erreichbar.
Das Portal Immobilienscout24.de testet neue Inserate automatisch nach Merkmalen, die auf Betrügereien hindeuten. Und löscht solche Angebote und den Zugang des Inserenten. Weiter ins Detail gehen, will Sprecher Marcus Drost nicht. Die Betrüger sollen es nicht noch einfacher haben. An Mietinteressenten gibt Drost den Hinweis: Niemals vorab die Kaution überweisen. „Das ist absolut unüblich in der Branche.
Die angebotene Wohnung ist hervorragend ausgestattet und voll möbliert.
Die Miete liegt weit unter Marktniveau.
Kurze oder keine Beschreibung im Inserat – dafür viele Bilder.
Vermieter meldet sich per Mail aus dem Ausland – in gebrochenem Deutsch oder schlechtem Englisch
Vermieter erzählt vertrauensvoll von seiner Situation: „Habe die Wohnung geerbt“, „Habe selbst zwei Jahre dort gewohnt“.
Vermieter verlangt vorab eine Kaution.
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