"Da spürt man Schikane": So gängelt Söders Regierung Cannabis Clubs in München
München - Erdinc Tuncer ist momentan gut beschäftigt. Zwischen fünf und zehn Anfragen erhält er jeden Tag – von Menschen, die in seinen Cannabis Social Club (CSC) Minga aufgenommen werden wollen. Knapp 250 Mitglieder hat der Verein laut Tuncer schon, und es werden mehr. Der Vorsitzende rechnet damit, dass das gesetzlich vorgeschriebene Maximum von 500 Mitgliedern spätestens im Mai erreicht ist.
Die Freude über die Legalisierung von Cannabis ist bei ihm und seinen Mitgliedern groß – die Verunsicherung jedoch genauso, wie Tuncer sagt. "Keiner weiß so recht, was man darf und was nicht." Vieles sei unklar. In Sichtweite von Kindern und Jugendlichen darf nicht gekifft werden, 100 Meter Abstand müssen gehalten werden. Tuncer fragt, wie das in der Praxis funktionieren soll: "Läuft die Polizei mit dem Meterstab rum?" Und wie ist es im eigenen Garten geregelt, wenn man Kinder habe? Diese Fragen stellen sich auch die Mitglieder, klare Antworten gibt es nicht.
Der erste Gründungsversuch scheiterte
Auch der Vorsitzende hängt noch in der Luft. Der gemeinschaftliche Anbau von Cannabis ist für die Clubs erst ab Juli erlaubt. Dass dann alles reibungslos klappt, erwartet Tuncer nicht: "Die bayerische Staatsregierung versucht, es uns so schwer wie möglich zu machen."
Das hat er schon bei der Vereinsgründung gemerkt: Der CSC Minga ist momentan mitten im zweiten Anlauf, der erste Versuch scheiterte. Tuncer und seine Mitstreiter haben dieses Mal Unterstützung von einem Notar, dennoch ist der Antrag schon seit acht Wochen in Prüfung, wie er sagt. "Da spürt man die Schikane."
Die Vorgaben für die Clubs sind laut Tuncer enorm, der Vorsitzende erzählt von der Beipackzettelpflicht, dem Chargenmanagement und Dokumentationspflichten. "Es läuft eigentlich wie bei einem mittelständischen Unternehmen." Tuncer glaubt, dass sich viele Vereine schwer tun werden.
Die Abgabe plant Tuncer in München
Immerhin die Suche nach einer Produktionsstätte war für Tuncer nicht schwer: Ein Freund vermietet dem Verein in Forstinning im Landkreis Ebersberg ein Grundstück mit einer knapp 1000 Quadratmeter großen Halle. Dort soll, sobald die Lizenz da ist, Cannabis angebaut werden. Die Abgabe plant Tuncer in München. Diese Kombination passt dem Vorsitzenden zufolge gut, den Anbau wollte er bewusst nicht in die Stadt bringen – in München sei der Trubel zu groß. "In Forstinning sind wir aus dem Schussfeld."
Die Gemeinde stört das nicht – anders als so manche Kommune im Umland. "Bei uns wird kein Spielplatz gebaut", sagt Tuncer und spielt damit auf einen Fall in Aschheim an. Dort baute die Gemeinde zwei Wipptiere vor dem Rathaus auf, um den gegenüberliegenden Cannabis-Club zu verhindern. In Forstinning dagegen ist Tuncer im Gespräch mit der Gemeindeverwaltung. "Die haben uns versichert, dass das kein Problem ist."
Alkohol oder Nikotin würden oft verharmlost, findet Tuncer
Trotzdem befürchtet Tuncer, dass ihm und seinem Club von der Staatsregierung noch Steine in den Weg gelegt werden. Den Clubvorsitzenden stört zudem, dass mit zweierlei Maß gemessen werde: Wenn es um Alkohol oder Nikotin gehe, werde oft verharmlost. "Im Biergarten darf ich auch mit Kindern sitzen und mein Bier trinken." Dabei gebe es dem bayerischen Gesundheitsministerium zufolge in Bayern 255.000 Alkoholiker.
Tuncer will zeigen, dass man verantwortungsbewusst mit Cannabis umgehen könne. Sein Club arbeite zusammen mit Condrobs am Jugendschutzkonzept, sagt er. Ein Mitglied des Vereins – das selbst nicht kiffe – lasse sich zur Präventionsbeauftragten ausbilden.
Von der Staatsregierung würde er sich wünschen, nicht gleich alles zu verteufeln, was mit Cannabis zu tun hat, sondern mit den Vereinen zusammenzuarbeiten. Trotz aller Schwierigkeiten hofft Tuncer, die Lizenzierung für den Anbau schnell zu erhalten.
CSC Greeners: "Die Stimmung im Verein ist hervorragend"
Davon geht auch der CSC Greeners aus. "Die Stimmung im Verein ist hervorragend", sagt Luca Bartosch, stellvertretender Vorsitzender. Erst kürzlich habe man die Legalisierung gefeiert mit rund 100 Menschen, "die Stimmung war sehr aufgelockert". Bei den Mitgliedern sei die Erleichterung spürbar.
Die Greeners gründeten sich im vergangenen Frühsommer. "Wir waren erst mal einfach ein Verein, der sich für die Legalisierung eingesetzt hat." Das war auch vor dem Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes erlaubt. Die Vereinsstrukturen sind also da. Seitdem ist der Club gewachsen, inzwischen hat er laut Bartosch rund 245 Mitglieder.
Das älteste Mitglied ist 90 Jahre alt
Laufend werden es mehr – auch wenn die Aufnahme dauert. Bartosch und seine Vorstandskollegen haben jede Menge Anträge auf dem Tisch. Sie nehmen sich Zeit für die Prüfung, wie Bartosch sagt, lernen jeden Interessenten in einem Telefonat kennen und entscheiden dann über die Aufnahme.
Mitglied werden darf man bei den Greeners ab 25 Jahren. Vor rund zwei Wochen hat der Verein sein bisher ältestes Mitglied mit 90 Jahren begrüßt, erzählt Bartosch. "Der Durchschnitt ist Anfang 40, vielleicht gerade zum zweiten Mal Vater geworden und freut sich, mal eine Auszeit zu haben." Aber es gebe auch den 25-jährigen Marketingstudenten, der mit der Rentnerin über den Kodex des Vereins diskutiere.
Bei Workshops, Tischtennisturnieren und Wanderungen entstehen Freundschaften
Im Club seien Freundschaften entstanden, auch wenn man erst seit Kurzem kiffen und noch gar nicht im Verein anbauen darf. Die Gemeinschaft ist laut Bartosch schon da. Im Vordergrund stehe der Austausch: Die Greeners veranstalten nicht nur Workshops zu Cannabis, sondern auch soziale Aktivitäten, zum Beispiel ein Tischtennisturnier oder eine Wanderung.
Auf den Anbau bereitet man sich trotzdem schon vor: Der Club steht bereits in Kontakt mit dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, das die Lizenzen vergebe. Auch Hallen besichtige man, damit der Anbau beginnen kann, sobald er erlaubt ist.
"Kenne keine legale Möglichkeit, Cannabis zu bekommen"
Bartosch und seine Mitglieder wollen dann mit Setzlingen starten. Bis rauchbares Cannabis geerntet werden kann, dauert es bis zum Herbst. Das ist ein Widerspruch im Gesetz, wie Bartosch findet. "Die Reihenfolge hätte man anders machen können." Denn seit 1. April darf man zwar legal kiffen – "aber ich kenne keine legale Möglichkeit, Cannabis zu bekommen". Denn der Eigenanbau, der seit rund zwei Wochen erlaubt ist, wirft ja noch keine Blüten ab.
Die Beschaffung ist laut Bartosch nicht die einzige Schwierigkeit: "Das Gesetz an sich ist schon eine Herausforderung." Vieles sei nicht genau geregelt, in einigen Bereichen fehle die Unterstützung. Bartosch hat mehr Polizeipräsenz in der Stadt bemerkt, selbst aber eigenen Worten zufolge noch keine Probleme bekommen – dafür aber mit Versicherungen und Finanzinstituten.
Mittlerweile hat der Verein zwar ein Bankkonto, "aber das hat gedauert". Die Laune lassen sich die Greeners nicht verderben: Bartosch freut sich auf eine Party am inoffiziellen Kiffer-Feiertag am 20. April. 420 ist ein Codwort für den Gras-Konusum.
In München gründen sich die ersten Clubs
Laut Gesetz darf ein Cannabis-Anbauverein maximal 500 Mitglieder haben. In einer Stadt wie München gründen sich daher aktuell mehrere Clubs:
- Der Cannabis Social Club München (www.csc-muenchen.de)
- Der Cantura Club (www.cantura.club)
- Der Cannabis Social Club Minga (www.csc-minga.de)
- Der Cannabis Social Club Bavaria (www.bavaria-csc.de)
- Der Cannabis Social Club Greeners (www.csc-greeners.de)
- Der Cannabis Club München (www.cannabisclub-muenchen.com)
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