Corona-Soforthilfe: Ist die Rückforderung rechtswidrig?

Zehntausende Münchner sollen die Corona-Soforthilfe von 2020 zurückzahlen. In NRW hat ein Gericht derartige Forderungen gekippt. Landtags-Grüne fordern sofortigen Stopp.
Nina Job
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Seit 42 Jahren betreibt Martin P. einen Friseursalon in Haidhausen am Landtag. Der 75-Jährige arbeitet noch, weil seine kleine Rente zum Leben nicht reicht. Mit Müh und Not hat er sein Geschäft durch die Krise gebracht. Nun soll er Tausende Euro Corona-Soforthilfe zurückzahlen.
Seit 42 Jahren betreibt Martin P. einen Friseursalon in Haidhausen am Landtag. Der 75-Jährige arbeitet noch, weil seine kleine Rente zum Leben nicht reicht. Mit Müh und Not hat er sein Geschäft durch die Krise gebracht. Nun soll er Tausende Euro Corona-Soforthilfe zurückzahlen. © Daniel von Loeper

München - Versprochen war schnelle, unbürokratische Hilfe, als im ersten Corona-Lockdown vor drei Jahren Friseure, Kosmetiker, Fußpfleger und andere Soloselbstständige wochenlang nicht arbeiten durften. Allein in München beantragten 37.000 Personen oder Unternehmen die Corona-Soforthilfe, fast 300 Millionen Euro zahlte die Landeshauptstadt aus. 

Ende 2022 dann die böse Überraschung. Die Soforthilfe-Empfänger wurden aufgefordert, zu überprüfen, ob der "Liquiditätsengpass" für März bis Mai 2020 tatsächlich so eingetreten war. Andernfalls muss die Hilfe ganz oder anteilig bis 30. Juni zurückgezahlt werden.

Rückzahlung von Corona-Soforthilfen in Bayern ruiniert vor allem Selbstständige

"Für die Soloselbstständigen ist es am schwierigsten – viele müssen Kredite aufnehmen", sagt Achim von Michel vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) in Bayern. "Sie fühlen sich im Stich gelassen."

So geht es zum Beispiel Friseur Martin P. (75) aus Haidhausen. Trotz Soforthilfe musste er 2020 Tausende Euro Schulden machen und seine Altersvorsorge anbrechen. Nun wird er wieder Schulden machen müssen. "Dabei war von Rückzahlung nie die Rede", sagt er.

Auch die selbstständige Friseurmeisterin Caroline Kriegsmann trifft es hart. Sie muss laut Berechnung die gesamte Hilfe zurückzahlen: 9.000 Euro – obwohl sie 16 Wochen nicht arbeiten durfte und keinen Verdienst hatte.

Achim von Michel zu den Rückforderungen der Corona-Soforthilfen: "Erstmal nichts zurückzahlen"

Doch sind die Forderungen überhaupt zulässig? Darüber wird gestritten. Noch gibt es keine Urteile von bayerischen Verwaltungsgerichten – jedoch aus anderen Bundesländern: So urteilte das Oberverwaltungsgericht in Münster (NRW) Ende voriger Woche, dass Rückforderungen in großen Teilen unzulässig sind. Achim von Michel empfiehlt nun auch Betroffenen in Bayern: "Leisten Sie erst mal keine Rückzahlung!" Stattdessen rät er, auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu warten.

Anwalt Alexander Lang geht davon aus, dass die Rückforderungen der Corona-Hilfen in großem Umfang für rechtswidrig erklärt werden.
Anwalt Alexander Lang geht davon aus, dass die Rückforderungen der Corona-Hilfen in großem Umfang für rechtswidrig erklärt werden. © ho

Die Würzburger Kanzlei Steinbock & Partner vertritt bereits mehr als 100 Mandanten aus Bayern, die sich gegen die Rückforderung wehren. Anwalt Alexander Lang betont, dass nicht jede Forderung pauschal unzulässig sei. "Doch ich gehe davon aus, dass auch die Verwaltungsgerichte in Bayern die Rückforderungen im großen Umfang für rechtswidrig erklären werden".

Das Gericht in NRW stütze "sein Urteil darauf, dass im Rückmeldeverfahren keine anderen Kriterien angewendet werden dürfen als bei der Bewilligung der Soforthilfen", so Lang. Unklarheiten gingen zulasten des Landes. Auch in Bayern seien Regelungen in den Bewilligungsschreiben nicht klar gefasst und würden von den Berechnungsmethoden im Rückmeldeverfahren abweichen.

Anwalt Lang empfiehlt seinen Mandanten, erst mal nicht zu zahlen. Und: bis 30. Juni zwar die geforderten Auskünfte zu erteilen, aber per Anwaltsschreiben darzulegen, warum kein Anspruch bestehe.

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Grüne: Stop der Rückzahlforderungen per Dringlichkeitsantrag

Die Landtags-Grünen wollen die Rückzahlforderungen der Corona-Hilfen am heutigen Mittwoch mit einem Dringlichkeitsantrag stoppen. Sie seien "nicht leistbar und existenzbedrohend", sagt Sanne Kurz, Sprecherin für Kultur und Film. Und stünden "in krassem Missverhältnis zu früheren Aussagen”.

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4 Kommentare
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  • TheBMW am 22.03.2023 16:34 Uhr / Bewertung:

    Ist doch kein Wunder, dass der Staat jetzt an allen möglichen Stellen versucht, von den Bürgern Geld einzutreiben.
    Scholz und die zwei grünen Hamperer verteilen innerhalb und außerhalb der BRD deutsche Steuergelder, als ob es kein Morgen gäbe. Irgendwo muss aber das Geld auch herkommen. Offensichtliche Steuererhöhungen trauen sie sich (noch) nicht, also durch diverse Hintertüren den Bürgern das Geld aus der Tasche ziehen

  • AllesBesser am 22.03.2023 16:08 Uhr / Bewertung:

    Das wird häufig verwechselt. Die Corona-Soforthilfe war dafür gedacht "akute Liquiditätsengpässe wegen laufender Betriebskosten zu überbrücken, zum Beispiel Mieten und Pachten, Kredite für Betriebsräume oder Leasingraten." Es handelt sich also NICHT um eine Ersatzleistung für entgangene Einnahmen, sonder stellte eine Unterstützung für LAUFENDE Ausgaben dar.
    Deswegen wird jetzt gefragt, ob das Geld auch so eingesetzt wurde.

  • gubr am 22.03.2023 17:19 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von AllesBesser

    Ist das so? Es wäre echt mal angebracht, die Sache vernünftig erklärt zu bekommen. Es gab ja mehrere Pakete unterschiedlicher Art und eigentlich blickt man als Laie da nicht durch. Leider werden diese Artikel nur zur Click-Generierung geschrieben und niergendwo erhält man konkrete Erklärungen. Wenn das so ist wie Sie schreiben hatte alles eine Erklärung und wäre halb so schlimm. Zumindest den unzähligen Artikeln aus den letzten Tagen ist eher zu entnehmen, dass alles Geld das gegeben wurde zurückgezahlt werden muss, was tatsächlich ein Skandal wäre.

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