Corona-Krise: Teppichhaus Chandjian muss endgültig schließen
München - Isabella Chandjian ist umgeben von unzähligen Kunstwerken: exklusiv und erlesen, alt, teils museal, teils auch modern, in allen Formen, Größen und Farbkompositionen. Eine prächtige Vielfalt an den Wänden und aufgestapelt am Boden. Kunst der besonderen Art: exquisite Knüpfkunst.
1.001 Nacht im Teppichhaus Chandjian
Der Begriff "Teppichgeschäft" kommt einem in den Räumlichkeiten im Haus Herzogspitalstraße 1 weniger in den Sinn als Bilder zu den Märchen aus 1001 Nacht. Doch der Traum ist ausgeträumt: Das Teppichhaus Chandjian, das zu den renommiertesten in Europa gehört und seit 70 Jahren in München beheimatet ist, muss schließen.

Auch Corona-Pandemie ist schuld an Schließung
"Es schmerzt, doch es muss sein", sagt Chefin Isabella Chandjian. Als Gründe für das Aus ihres Unternehmens mit weltweiten Kunden nennt sie vor allem die Corona-Pandemie, doch auch die US-Handelssanktionen. "Ich muss Abschied nehmen", so die Münchnerin, die jetzt einen Totalausverkauf mit stark reduzierten Preisen gestartet hat.

Damit endet eine Ära. "Was mein Vater 1950 gegründet hat, findet nun ein jähes Ende", sagt Chandjian und zeigt einen prachtvollen Teppich, den sie einst auf einer Einkaufsreise in Iran entdeckt hat: natürlich - wie alle rund 1.000 Teppiche im Geschäft - handgeknüpft, doch bei dieser Kostbarkeit mit etwa einer Million Knoten pro Quadratmeter.
Von der Teppichreinigung bis zur Reparatur
Immer wieder kommen beim AZ-Besuch (Stamm-)Kunden vorbei: um noch einen Teppich von daheim von den Fachleuten reinigen oder reparieren zu lassen, um im Ausverkauf ein neues Exemplar zu erstehen - oder auch um Mitgefühl zu zeigen. Eine ältere Dame, der Isabellas vor fünf Jahren verstorbener Bruder Wartan "einen Teppichtraum aus Seide beschert" hat, wie sie sagt, kommt aus dem Schwärmen nicht heraus: "Eure Seriosität, das Fachwissen und die Liebe für das, was ihr macht, sind einmalig. Den Papa werde ich auch nie vergessen."
Die Anfänge des Teppichgeschäfts Chandjian
Isabellas Vater, Wanik Chandjian, einen in Griechenland geborenen Armenier, hatte es dereinst als Jugendlichen mit seinen Eltern während des Zweiten Weltkrieges nach München verschlagen. Sie wurden in der Türkenstraße bei einer deutschen Familie untergebracht - und wie der Zufall es wollte, verliebten sich deren Tochter Irma und Wanik (späterer Gründer der Armenischen Landsmannschaft in Bayern).

Schließlich wurde geheiratet, Isabella und Wartan kamen zur Welt, und Wanik Chandjian, der das Knüpfhandwerk von seiner Mutter erlernt hatte, fing an, sich mit Reparaturarbeiten hochzuarbeiten. Ehefrau Irma unterstützte das Familieneinkommen als Konditorin.
Schließung: Ende einer Ära

Den ersten kleinen Teppichladen gab's in der Steinstraße. Im Teppichhaus in der Herzogspitalstraße lebte die Familie auch im ersten Stock. "Das Geschäft war der schönste Spielplatz", erzählt Isabella: "Wir haben in der Wolle gespielt, uns hinter den Teppichstapeln versteckt - und spielerisch knüpfen gelernt." Die heutige Teppich-Expertin stattete im Laufe der Jahre in Frankreich sogar mal ein Schloss mit erlesenen Sammlerstücken aus. "Wir waren fast auf der ganzen Welt unterwegs", sagt sie leise: "Jetzt endet sie, unsere lange schöne Geschichte."
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