Corona im Getriebe: Ein Werkstattbesuch

Das Coronavirus trifft Kleinunternehmer hart. Auch Autowerkstätten dürfen nur noch Notfälle annehmen – und gleichzeitig müssen Kredite bedient werden.
Ralph Hub |
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Noch stehen alte Porsche zur Reparatur in der Werkstatt.
Ralph Hub Noch stehen alte Porsche zur Reparatur in der Werkstatt.

München - Im Frühjahr brummt normalerweise der Laden von Oscar Boz wie ein gut geölter Sechszylinder. Der 43-Jährige ist Besitzer einer Autowerkstatt. Doch seit der Corona-Krise kämpft der Kfz-Meister wie viele in seiner Branche ums wirtschaftliche Überleben. Erst vergangenen September ist er in eine neue, größere Werkstatt in den Süden Münchens umgezogen.

Von einer ehemaligen Tankstelle mit 120 Quadratmetern in eine Werkstatt mit allem notwendigen Pipapo auf 1.500 Quadratmetern: neue Maschinen, neues Werkzeug, hohe Investitionen, mehr Miete. Da müssen Kredite bedient und Rechnungen beglichen werden. Der 43-Jährige hat in seinen Betrieb, den er mit seiner Schwester Özlem Boz (38) führt, viel Geld investiert. Fünf Mitarbeiter beschäftigen die beiden.

Oscar Boz: "Noch haben wir genug zu arbeiten"

Doch seit Corona das Leben bestimmt, kommen weniger Kunden. Waren es noch vor wenigen Wochen im Schnitt fünf Autos am Tag, die auf die Hebebühne gefahren wurden, sind es jetzt nur noch fünf in der Woche. Schwierige Zeiten, um zu expandieren, doch das hat bis vor wenigen Wochen keiner ahnen können. "Eine Zeit halten wir das noch durch", sagt Oscar Boz optimistisch, "noch haben wir genug zu arbeiten."

Der 43-Jährige hat sich spezialisiert. Unter anderem auf Oldtimer. Viele Kunden aus München bringen ihre chromfunkelnden Schätzchen zu ihm, um sie warten und reparieren zu lassen. Auch viele Porsche-Fahrer kommen zu ihm. Und dann gibt es einen relativ großen Pool an Stammkunden, die der Werkstatt auch in der Corona-Krise die Treue halten.

Der Betrieb kostet auch viel Geld. Miete für die Werkstatt samt Büro und Lagerräume, Strom, Heizung, Material und nicht zuletzt die Löhne für die Mitarbeiter. "Unsere Fixkosten liegen bei monatlich rund 15.000 Euro", rechnet Özlem Boz vor. Die müssen erst einmal verdient werden, bevor die Werkstatt Gewinn abwirft.

Noch stehen alte Porsche zur Reparatur in der Werkstatt.
Noch stehen alte Porsche zur Reparatur in der Werkstatt. © Ralph Hub

Kfz-Werkstatt Boz: So kurios läuft's in der Corona-Krise

Gleich nach dem Umzug im Herbst 2019 lief das Geschäft super. Die Kunden mussten zum Teil eine Woche auf einen Termin warten. Heute geht es mit etwas Glück noch am selben Tag. "Kurzarbeit ist für uns derzeit aber kein Thema", beruhigt Oscar Boz seine Leute. Ihre Jobs sind sicher, was in diesen Tagen nicht für alle gilt.

Im Frühjahr stehen normalerweise viele Autos auf dem Hof: Wechsel auf Sommerreifen, Wartung nach den harten Wintermonaten, Service, Reparaturen. Viel zu tun. Normalerweise. Aber weil das ganze Land praktisch lahmgelegt ist und viele im Homeoffice arbeiten, fahren auch weniger mit dem Auto.

Zudem bringt die Corona-Krise kuriose Dinge mit sich. Ein Beispiel: Kommt ein Autofahrer mit einem Platten, darf Oscar Boz ihm einen neuen Reifen verkaufen. Sind die alten abgefahren, ebenso.

Doch kommt ein Kunde, der breitere Reifen will, vielleicht auch auf schicken, neuen Alufelgen, muss ihn der 43-Jährige vertrösten. "Nur zwingend notwendige Arbeiten dürfen derzeit erledigt werden", erklärt der Kfz-Meister – so wie eine Hauptuntersuchung, wenn der Tüv abläuft.

Kfz-Werkstätten: Überall geht's um das Thema Hygiene

Schwierige Zeiten, vor allem für Werkstätten, die hauptsächlich vom Verkauf von Autos leben. Bei denen ist das Geschäft völlig eingebrochen. Kaum einer kauft in wirtschaftlich so unsicheren Zeiten ein neues Auto. Die meisten Hersteller haben zudem die Produktion eingestellt.

Dazu kommen neue, ungewohnte Aufgaben. Die Innung schickt den Werkstätten reihenweise immer neue Bestimmungen, Vorschriften, Regeln, die zu beachten sind. Beispielsweise was die Hygiene im Betrieb betrifft. Gleich im Eingangsbereich der Werkstatt steht eine Flasche mit Desinfektionsmittel für die Kunden. Die eigentliche Werkstatthalle, in der die Mechaniker arbeiten, darf kein Betriebsfremder betreten.

Nicht nur aus Sicherheitsgründen, es geht auch um die Gesundheit der Mechaniker. Überhaupt ist Hygiene ein großes Thema dieser Tage auch für eine Autowerkstatt. Atemschutzmasken sind wichtig, beispielsweise wenn es darum geht, Karosseriearbeiten durchzuführen, Bleche zu entrosten, Spachtel zu schleifen, zu lackieren.

Corona: Wahnsinnspreise für Atemmasken und Desinfektionsmittel

Doch Atemmasken sind kaum mehr zu bekommen. Und wenn, dann nur für einen Wahnsinnspreis. "Früher haben wir pro Maske 70 Cent bezahlt", rechnet Oscar Boz vor. "Heute verlangen manche Händler 49 Euro für vier Stück."

Kaum weniger grotesk sind die Preise für Desinfektionsmittel. "Zehn Liter kosten momentan 229 Euro, plus Mehrwertsteuer", sagt Özlem Boz. Die Autos werden desinfiziert, bevor sie in die Werkstatt kommen: Lenkrad, Handbremsgriff, Türverkleidungen Armaturenbrett – alle Stellen, die mit Viren kontaminiert sein könnten. Dasselbe Prozedere am Ende, wenn der Wagen fertig ist. Selbst die Autoschlüssel werden desinfiziert, bevor ein Wagen wieder zurück an den Kunden geht.

Seit 2006 ist Oscar Boz Kfz-Meister. Schon sein Vater betrieb eine eigene Werkstatt. Fast schon eine Familientradition. Aber so verrückte Zeiten wie diese haben die beiden Männer noch nicht erlebt.

Und ein Ende der Beschränkungen ist nicht in Sicht. "Ich gehe davon aus, dass wir noch eine ganze Weile mit den Problemen wegen des Coronavirus' zu kämpfen haben werden", sagt Oscar Boz.

Coronavirus: "Wir dürfen uns davon nicht unterkriegen lassen"

Wie schnell man mit dem Thema Corona im Betrieb selbst konfrontiert werden kann, hat der 43-Jährige schon erfahren. Ein Kunde brachte ihm ein Auto zur Reparatur. Drei Tage später wollte der Mann das Fahrzeug wieder abholen. Er kam nicht.

Dafür läutete weitere drei Tage später das Telefon. Er sei mit Corona infiziert und müsse in Quarantäne, teilte der Kunde mit. Sein Wagen blieb in der Zwischenzeit auf dem Hof. "Da schluckt man erst einmal kräftig", erzählt Oscar Boz.

Nach zwei Wochen meldete sich sein Kunde erneut telefonisch. Es gehe ihm besser. Er sei wieder zu Hause. Oscar Boz versprach, das Auto vorbeizubringen. "Als ich mich hinters Lenkrad setzte, bekam ich sofort so ein komisches Gefühl im Hals, so ein merkwürdiges Kratzen", erinnert sich der Kfz-Meister.

Dabei war ihm klar, dass der Wagen nicht mit Coronaviren verseucht sein konnte, denn der Kunde hatte das Auto abgegeben, bevor er sich angesteckt hatte. Aber die irrationale Angst, die hatte der Werkstattchef sofort im Hinterkopf.

"Ich kann verstehen, dass Menschen Angst haben, aber wir dürfen uns davon nicht unterkriegen lassen", sagte er, "wenn jeder auf sich aufpasst und auch auf andere Rücksicht nimmt, kriegen wir das hin."

Lesen Sie hier: Internet in Coronavirus-Zeiten - So surft München in der Krise

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