Claus Schreer gestorben: Münchens bekanntester Demonstrant ist tot
München - Vor fünf Jahren, Claus Schreer war schon 80 Jahre alt, da hat er der AZ noch mal ein großes Interview gegeben. Wobei: Was heißt schon noch mal? Schreer hätte es wohl auch noch mit 85 getan, Münchens bekanntester Friedensaktivist hat schließlich nie aufgehört, für seine Thesen zu streiten.
Noch im Frühjahr dieses Jahres saß er, wie seit Jahrzehnten schon, bei der Pressekonferenz vor den Protesten gegen die Nato-Sicherheitskonferenz und erklärte seine ganz eigene Sicht auf die ganz großen Fragen der Welt.
Schreer kämpfte jahrzehntelang gegen Aufrüstung und Rassismus
In dem AZ-Gespräch vor fünf Jahren hat Schreer sehr persönlich über seine Lebensgeschichte gesprochen. Aufgewachsen ist er im Dachauer Hinterland – als Klosterschüler. Aufstehen um 5.30 Uhr, so erinnerte er sich, "48 Schüler in einem Schlafsaal, da gab es keinen Raum für persönliche Freiheiten." Er selbst glaube, dass damals sein Drang für Freiheit geweckt worden sei.
Schreer sollte die außerparlamentarische Linke in München lange Zeit prägen. Schon in den 60ern spielte er bei den ersten Ostermärschen eine Rolle, als an Ostern 1968 die Auslieferung der "Bild"-Zeitung blockiert wurde, wurde Schreer das erste Mal festgenommen.
Es sollte nicht das letzte Mal bleiben. Die Friedensbewegung, der Kampf gegen Aufrüstung und Rassismus – Schreer war jahrzehntelang dabei. Und wurde in den vergangenen 20 Jahren, selbst schon im Rentenalter, zur zentralen Figur der Münchner Proteste gegen die Sicherheitskonferenz.
Der letzte aufrechte Kommunist der Stadt? Nein, das wies Schreer empört zurück, das gefalle ihm nicht. "Ich kenne ganz viele aufrechte Kommunisten!"
Aktivist Schreer: "Revolution mit 80 macht Spaß!"
Kommunisten im Sinne Schreers sind dann aber irgendwie doch seltener geworden. Seit Beginn der 2010er-Jahre nahmen immer mehr junge Linke Abstand von den Siko-Protesten, die ihnen doch viel zu einfach die Schuld am Übel der Welt beim Westen und besonders den USA zu suchen schienen. Von Grüner Jugend bis zum autonomen "Kafe Marat" haben die Proteste heute in vielen Grupen kaum noch Unterstützer.
Doch Schreer blieb bei seinen Positionen (auch wenn er sich dieses Frühjahr, zumindest ein ganz kleines bisschen, zu Russlandkritik hinreißen ließ).
"Revolution mit 80 macht Spaß!", hat er in dem Gespräch 2018 voller Überzeugung gesagt. Und dass Wut und Empörung über Missstände ihn einfach immer weiter antreiben. "Daran wird sich wohl auch kaum was ändern!"
Hat sich nicht. Der Mann blieb sich treu. "Claus Schreer ist bis zum Ende immer unangepasst geblieben", sagte der alte Weggefährte Sigi Benker, am Freitag voller Anerkennung der AZ.

In der Nacht zuvor war Claus Schreer, der Demonstrant, überraschend, wie es heißt, mit 85 Jahren gestorben.
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