Casting für den Deutschen Bauernkalender 2013: „Geht das auch ohne Dirndl?“
Sägen, Sicheln und Eimer als Accessoire, fallende Kleider und Bestechungsversuche mit Frischmilch: Am Samstag fand in München das Casting für den neuen Deutschen Bauernkalender statt. Die AZ saß in der Jury
München - Ein Meerschweinchen ist zu wenig. Auch der regelmäßige Verzehr von Bio-Eiern reicht nicht. Wer im Deutschen Bauernkalender abgebildet sein will, sollte schon etwas mehr mit Landwirtschaft zu tun haben.
Das ist die Idee des Projekts und soll es abheben von jenen Kalendern, in denen sich Außenhandelskauffrauen und Zahnarzthelferinnen, die das Landleben nur von Illustrationen auf Eierkartons kennen, als Bäuerinnen ausgeben. Der Anspruch an die Motive: erotisch, aber nicht vulgär sollen sie sein.
Mehrere Hundert Bewerberinnen gab es heuer für die zwölf Plätze. Wer die bekommt, entscheidet eine Jury. Sie soll aus den rund 50 jungen Frauen, die deutschlandweit in die engere Wahl gekommen sind, die besten heraussuchen.
Die Kriterien: Kommunikationsfähigkeit, Verbindung zur Landwirtschaft, Fotogenität und erotische Ausstrahlung.
Das Casting für Süddeutschland fand am Samstag im Pschorr-Keller auf der Theresienhöhe statt. Erstmals war auch die AZ als einzige Tageszeitung in der Jury vertreten. Hier lesen Sie das Protokoll:
„Die Kettensäge ist mein Werkzeug“
9.37 Uhr: „Meine Haare riechen ein bisschen nach Kuhstall“, entschuldigt sich Kandidatin Nr. 1, Bauerstochter Maike (26) aus Hessen, bei der Jury. „Aber da müsst ihr jetzt durch.“ Pluspunkt.
Warum sie in den Kalender will? „Mal was anderes“, findet Maike. Außerdem will die Blondine beweisen, dass es nicht nur in Heimatfilmen fesche Bauernmädels gibt.
Mit dabei hat die Hessin zwei Hunde, einer, Colin, habe Epilepsie, erklärt sie. Ein paar Kunststücke kann er trotzdem. Gelungener Auftritt.
„Danke, Maike“, sagt Jurorin Ann-Kathrin Keper aus Grünbach, die 2011 das August-Girl war. Maike und Colin – anfallfrei – verlassen den Pschorr-Keller.
9.47 Uhr: Bianca und Corina, zwei Schwestern, haben grell verzierte Muffins gebacken. „Jeder hat eine andere Bedeutung“, erläutern sie. Was ihre Mutter dazu sage, dass sie in einem leicht freizügigen Kalender posieren wollen, will Jurorin Christine Eiwanger wissen, selber äußerst attraktiv und amtierende Deutsche Zuckerrübenkönigin. „Mama weiß von nix“, antwortet Bianca und lacht.
Das Duo spielt Akkordeon. Anschließend überreicht mir Corina einen Muffin. „Für dich“, haucht sie. Bestechungsversuche gehören beim Bauernkalender einfach dazu.
10.01 Uhr: „Das ist mein Werkzeug“, sagt Barbara (28) aus Hirschaid und hebt eine Kettensäge über ihren Kopf. „Damit kann ich meine Bäume selber umsägen.“ Bei den Probefotos posiert sie so gekonnt, dass ihr eigentlich jeder Baumaschinenhersteller sofort einen Werbevertrag als Testimonial anbieten müsste.
„Lila Lederhose? Passt zu meinen Nägeln!“
10.20 Uhr: Als Sekretärin ist Lisa (20) aus dem oberpfälzischen Seubersdorf strenggenommen nicht in der Landwirtschaft tätig, helfe aber bei der Feldarbeit – beteuert sie. Und verteilt Muffins.
10.30 Uhr: „Das ist der Wastl“, sagt Melanie (22) aus Waldkirchen. Mit ihrem Laptop schreitet sie den Jurytisch ab und zeigt die schönsten Tier-Fotos vom Hof. Dass die dabei Kaugummi kaut, fällt Jurorin Jacqueline Kohl – 2010 Kandidatin bei Germany’s Next Topmodel – negativ auf. Auf ihre mahlenden Bewegungen angesprochen, wird Melanie rot und will ihren Kaugummi herunterschlucken. Den Melkeimer, der als Requisite herumsteht, mag sie nicht benutzen. Der Fotograf reicht ihr ein Glas.
10.48 Uhr: Karolin (19) aus Raubling bringt Bananen mit – etwa aus eigenem Anbau? Und, natürlich, Muffins.
11.04 Uhr: Die erste und einzige Münchner Kandidatin heißt Sarah, ist 25 und wohnt im 15. Stock eines Hochhauses. Die Deko-Expertin trägt eine lila Lederhose von Angermaier. „Passt zu meinen Nägeln“, sagt sie. Und dass ihr Opa einmal Kühe hatte. Ob das reicht, um einen Platz zu ergattern?
11.20 Uhr: Anschauungsmaterial gibt es von Bankkauffrau Nicole. Sie lässt die Ohrenmütze ihres Pferdes herumgehen. Darauf: ein Playboy-Hase aus silbernen Steinchen. Vor ihrer Bewerbung hat Nicole ihre Vorgesetzten und Kollegen gefragt, ob es in Ordnung gehe, wenn sie halbnackt zwischen Mähdreschern im Bauernkalender abgebildet sei – und erntete Wohlwollen.
50 Milchkühe – besser als jedes Fitnessstudio
11.43 Uhr: Nächster Gang: Apfel-Wein-Kuchen von Karin (22) aus dem Landkreis Landsberg am Lech. Langsam stapeln sich die landwirtschaftlichen Erzeugnisse auf dem Jurytisch. Wenn das so weitergeht, können wir bald nichts mehr von den Kandidatinnen sehen. Dabei lohnt sich das. „Kannst du das blaue Hemd wegnehmen?“, fragt Fotograf Stefan Soell – kein schmieriger Typ, sondern respektvoll im Umgang. Und plötzlich steht Karin im BH da.
12.01 Uhr: Vor gerade einmal fünf Monaten hat Kathrin aus Horndorf ein Kind zur Welt gebracht. Davon kann man nichts erkennen. Top-Figur – 50 Milchkühe halten sie fit.
12.24 Uhr: Ihren ungewöhnlichen Vornamen hat Meryem (19) aus Bergham von ihrem arabischen Vater. Und ihre dunklen Augen. Gekonnt posiert sie auf der Markierung. „Geht das auch ohne Dirndl?“, will der Fotograf wissen. Es geht.
Das Problem: Mit der Landwirtschaft hat Meryem derzeit nicht viel zu tun. Immerhin: Ihre Schwester plane einen Bauernhof für Behinderte. Dort will sie arbeiten. Außerdem hat die 19-Jährige ein Faible für Hühner. Ob die Kalendermacher sie trotzdem nehmen?
12.45 Uhr: Eine Wette war’s, die Kristin aus Freital in Sachsen zum Casting bewegte. Weil sie hier ist, musste sich ihr bester Freund bei „Bauer sucht Frau“ bewerben – und wurde genommen! Ob auch Kristin Erfolg hat? Fest steht: Der Hof ihrer Eltern wird 2013 200 Jahre alt. Da würde ein Auftritt im Bauernkalender ganz gut passen.
Doch die Jurorinnen sind nicht ganz glücklich mit den Haaren der stark gebräunten Bäuerin: „Blond mit schwarzen Strähnen – das wirkt unnatürlich“, sagt eine. Ob sich Kristin umstylen ließe?
Die hübschesten Mädels kommen aus Bayern
13.03 Uhr: Amaretto heißt die Lieblingskuh von Marianne aus Teising. „Für Stiere haben wir keine Namen. Die verkaufen wir“, erklärt die 19-Jährige. Sie liebt Treckerfahren. Juror Martin Grob nickt wohlwollend. Er ist Marketingleiter der Firma Same Deutz-Fahr, die landwirtschaftliche Nutzmaschinen herstellt. Auf ihnen dürfen sich dann einige Kalender-Mädels räkeln.
13.12 Uhr: Linda (16), die letzte Kandidatin, kommt aus Bönningheim in Baden-Württemberg. Sie hilft beim Weinbau auf dem Hof ihres Stiefvaters, sortiert zum Beispiel die schlechten Trauben aus. „Die hat so schöne Haare“, sagt Jurorin Veronika. Trotzdem finden die meisten Entscheider Linda zu jung für den Kalender. In zwei Jahren dürfte sie bessere Karten haben.
13.20 Uhr: Die Veranstalter sammeln unsere Stimmzettel ein, um sie später auszuwerten. Wer in den Kalender kommt, weiß man erst nach dem zweiten Casting in Hamburg. Regionaler Proporz sei wichtig, erläutern mir die Macher. Auffällig finden sie aber, dass die hübschesten Mädels aus Bayern kommen.
Bald wird feststehen, wer lasziv mit Milchkanne und Mistgabel posieren darf.
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