Campus am Marsfeld: Vom Finanzamt zur Steuer-Oase

Am Marsfeld beginnen in Kürze die Arbeiten am zweiten Bauabschnitt für Münchens neuen Steuer-Campus - erst gab's einen Kahlschlag.
Thomas Müller
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Dieser "Hochhaus" genannte Bau des Finanzamtes wird ab dem Frühjahr dem Erdboden gleichgemacht.
Dieser "Hochhaus" genannte Bau des Finanzamtes wird ab dem Frühjahr dem Erdboden gleichgemacht. © imago/Reinhard Kurzendörfer

München - Der ältere Herr schnauft schwer. Sehr schwer. Hat ja auch schwer zu tragen an den bis zu einen Meter langen Baumstämmen, die er an diesem Abend bedächtig aber bestimmt durch die offene Heckklappe in seinen Kleinwagen wuchtet, den er am Gehweg vorm Finanzamt geparkt hat.

Wie praktisch, dass die Baumfäller an der Marsstraße die Unmengen an Gehölz - sie haben wirklich ganze Arbeit geleistet - so schön aufgeschichtet haben, quasi fertig zum Abtransport. Sicher auch ein seltenes Gefühl, vom Finanzamt ausnahmsweise mal was mitzunehmen, anstatt immer nur was abzudrücken. Und ein untrügliches Zeichen, dass hier am Marsfeld bald wieder die Bagger rollen. Die Zeichen stehen auf Abriss.

Erst der Kahlschlag: Die umfangreichen Baumfällungen an der Marsstraße sind der Auftakt für den nächsten Bauabschnitt.
Erst der Kahlschlag: Die umfangreichen Baumfällungen an der Marsstraße sind der Auftakt für den nächsten Bauabschnitt. © tse

Genauer gesagt schon heuer im Frühjahr. Dann nämlich beginnt auf dem Finanzamt-Areal der zweite Bauabschnitt mit dem Abriss des leer- und auf Stelzen stehenden Baus der Finanzverwaltung aus dem Jahr 1977 in der Mars-, Ecke Deroystraße, im Finanzer-Jargon "Hochhaus" genannt. Seit 2019 steht es bereits leer. Davor müssen noch Geh- und Radweg temporär verlegt werden. Und was den Kahlschlag anbelangt: "Für leider nicht vermeidbare vereinzelte Baumfällungen werden selbstverständlich Ausgleichs- bzw. Ersatzbepflanzungen erfolgen", verspricht Sophie Lackner, Sprecherin im Finanzministerium. Aber das ist noch Zukunftsmusik.

"Steuer-Campus" am Marsfeld: Wer ko, der ko

Entstehen wird hier ein Verwaltungsgebäude für über 560 Finanzamt-Beamte. "Außerdem ist eine größere und moderne Kindertagesstätte mit rund 100 Plätzen vorgesehen", so das Ministerium. Kinderlachen- und Kreischen? Echte Lebensfreude? Ein neues Gefühl auf dem Finanz-Areal am Marsfeld.

So soll er nach 2030 mal ausschauen, der neue Steuer-Campus zwischen Deroy, Mars- und Arnulfstraße.
So soll er nach 2030 mal ausschauen, der neue Steuer-Campus zwischen Deroy, Mars- und Arnulfstraße. © Grafik: BSS Architekten

"Steuer-Campus" heißt das Projekt, das der Freistaat hier aus dem Boden stampft. Und dabei sämtliche Bestandsbauten, auch den den Münchnern kaum sehr beliebten, aber doch hinlänglich bekannten Flachbau des "Servicezentrums" vom Finanzamt abreißt und durch neue Campus-Bauten mit Innenhöfen ersetzt.

Insgesamt 365 Millionen verbaut der Freistaat hier für seine neue Münchner Finanzverwaltung mit fünf Verwaltungsbauten sowie einem neuen Servicezentrum nebst Kantine. Markus Söder, damals noch Finanzminister, bewertete die hohe Summe beim Spatenstich für den ersten Bauabschnitt 2015 "als angemessen für das Niveau, was Bayern hat".

Wer ko, der ko, hat er damit wohl gemeint. Immerhin ist das Münchner Finanzamt das größte in ganz Deutschland und erwirtschaftet mit knapp 50 Milliarden Euro pro Jahr gut 42 Prozent des gesamten bayerischen Steueraufkommens. Die Investition amortisiert sich, könnte man sagen.

Wie das Ganze mal ausschauen wird, lässt sich neben dem "Hochhaus" von 1977 besichtigen, der erste Würfel aus dem ersten Bauabschnitt steht ja schon, der Veranlagungsbereich sowie die Rechtsbehelfsstelle des Finanzamts sind hier seit 2018 in Betrieb hinter einer freundlich-hellen Klinker-Fassade. Der 66-Millionen-Neubau ist der erste Bau des Freistaats dieser Größenordnung im Passivhausstandard - mit Photovoltaik auf dem Dach und 86 Radlstellplätzen unten.

Das Finanz-Areal am Marsfeld im Überblick.
Das Finanz-Areal am Marsfeld im Überblick. © Google Earth

Beschäftigte des Münchner Finanzamts an einem Standort vereint

Gut 3.400 Beschäftigte hat das Münchner Finanzamt, 2.800 arbeiten davon in München (600 arbeiten in zwölf ausgelagerten Dienststellen in Deggendorf, Dillingen, Eichstätt, Ingolstadt, Mühldorf, Passau, Straubing und Zwiesel). Und noch sind die Münchner auf sechs Standorte in der Deroystraße, Karlstraße, Winzererstraße, Prinz-Ludwig-Straße, Seidlstraße und Augustenstraße verteilt. In ferner Zukunft - sehr, sehr optimistisch angepeilt war mal 2030 - sind sie alle am Marsfeld vereint. Inmitten von "aufgewerteten Grünanlagen", wie's so schön heißt. Wenn man so will eine echte Steuer-Oase.

Bis dahin kann's schon sein, dass immer wieder mal, schön aufgestapelt zum Abtransport, ein bisserl Brennholz bereitsteht, wenn ein neuer Bauabschnitt bevorsteht. Man muss bloß die Augen offenhalten.

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  • KRM am 23.02.2021 09:46 Uhr / Bewertung:

    "2.800 arbeiten davon in München, 600 arbeiten in zwölf ausgelagerten Dienststellen in Deggendorf, Dillingen, Eichstätt, Ingolstadt, Mühldorf, Passau, Straubing und Zwiesel"

    In der heutigen EDV-Zeit mit Homeoffice etc und bei der Wohnungsnot + hohen Mietpreisen in München ist es unverständlich, warum Arbeitsplätze nach München verlagert werden, anstatt umgekehrt in strukturschwache Gebiete.

    Das widerspricht der Söder-Strategie (zB Deutsches Museum + Heimatmuseum in Nürnberg) oder der Bundesagentur (zB Familienkassen, LGL, ZBFS).

  • Der wahre tscharlie am 22.02.2021 15:52 Uhr / Bewertung:

    Na ist doch super. Da können die Finanzbeamten noch effektiver arbeiten. Rückt nur raus euer Geld, der Neubau war teuer genug. Ironie aus.

  • Kadoffesalod am 22.02.2021 13:47 Uhr / Bewertung:

    Eine entspannende Arbeitsumgebung für Finanzbeamte ist gut für Steuerzahler.

    Konzerne nutzen Gesetzeslücken, Mittelständler drohen mit Abwanderung u Arbeitsplatzabbau.
    Auch Steuerfahndung bei bestimmten Gruppen ist schwierig (Sprachbarrieren, Rassismuskeule).
    Das alles sorgt für Frust. Wer bleibt übrig? Kleinunternehmer, Solo-Selbständige, Handwerker, Freiberufler, priv. Vermieter usw. Die kennen nicht alle Vorschriften u können nicht immer alles fristgemäß erledigen. Auf Versäumnisse, Fehler, Nachlässigkeiten (z.B. Erklärungen nicht fertig zu bringen, krank zu sein, Mieten nicht so oft als möglich zu erhöhen) reagiert das FA mit völlig überzogenen Schätzungen; die überhöhten Steuerforderungen werden gnadenlos beigetrieben, Konten werden gesperrt und gepfändet. Nicht immer wird der überhöhte Teil der Schätzungen zurückgenommen. Säumniszuschläge, Gebühren etc. bleiben auf jeden Fall bestehen.
    Schätzungen sind die Rache des FA. Entspannte FA-Mitarbeiter sind weniger rachsüchtig.

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