Camp vor Ausländerbehörde: Asylbewerber protestieren verzweifelt
München - "No deportation - keine Abschiebung" steht auf ihrem Banner. Das Protestcamp Geflüchteter aus Sierra Leone geht am Mittwoch in den achten Tag. Weil Zelte auf Kundgebungen nicht erlaubt sind, schlafen über 30 Menschen aus Sierra Leone unter einem Stand aus Stoff. Die Männer campieren genau gegenüber der Zentralen Ausländerbehörde auf dem Gehweg - in der Hofmannstraße in Sendling.
Schlafsäcke und Decken sind über Absperrgitter gebreitet. Regenschirme und Planen liegen bereit. Denn in den Nächten erreichen die Temperaturen die Frostgrenze. Auf einem Campingtisch stapelt sich Geschirr. Demonstrantinnen bringen jeden Tag Frühstück und gekochten Reis.
Protestierende fürchten Abschiebung
Der Grund: Über 200 Geflüchtete aus Sierra Leone in Bayern haben einen Termin zur Anhörung erhalten. Eine Delegation der Sierra Leonischen Botschaft will in der Ausländerbehörde ihre Identität prüfen und Reisepässe ausstellen. "Wenn wir den Pass haben, werden wir abgeschoben", befürchtet Hawa Cramm, Organisatorin des Protestcamps. "Doch in unserem Land sind wir nicht sicher. Wir brauchen Frieden, wir sind keine schlechten Menschen."
OB-Reiter soll sich einsetzen
Der Bayerische Flüchtlingsrat, Black Lives Matter München und andere unterstützen den Protest. Die Grünen und die Linke haben das Protest-Camp in Sendling besucht.

Im Stadtrat hat die Linke gestern den Antrag gestellt, dass sich OB Dieter Reiter (SPD) für die Geflüchteten einsetzen solle, um vorgesehene Abschiebungen nach Sierra Leone zu stoppen.
Hamado Dipama, Sprecher im Migrationsbeirat der Stadt, protestiert gegen die "menschenrechtsverletzenden Anhörungen": "Ich war ein Geflüchteter. Ich habe sechs Jahre in Asylbewerberheimen gelebt. Diese Menschen sollten eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung bekommen."
Zur Situation in Sierra Leone erklärte Victor Kamara, der die achte kalte Nacht im Sendlinger Protestcamp ausharrt: "In Sierra Leone herrschen massive Menschenrechtsverletzungen wie Korruption, Polizeigewalt, Gewalt gegen Frauen und willkürliche politische Hinrichtungen."
Deutschland bietet Schutz vor Gewalt und Zwangsehen
In Deutschland seien die Frauen vor Zwangsverheiratung, Gewalt ohne Strafverfolgung und auch vor der menschenrechtsverletzenden Praxis der weiblichen Genitalbeschneidung sicher.
Drei Sprecherinnen des Camps benannten ihre Gewalterfahrungen in Sierra Leone. "Genitalbeschneidung ist ein böser Akt. Wer über das Mittelmeer kommt, ist bereit, zu sterben. Für mich ist es besser in Deutschland zu sterben als in Sierra Leone", sagte Fatmata T. (25).
Der Appell von Lillian M.: "Integriert uns! Wir haben Angst. Wir können illegal sein, aber wir sind nicht kriminell."
Das Landesamt für Asyl und Rückführungen informiert auf AZ-Anfrage, dass pro Tag 30 bis 45 Termine für eine Anhörung vergeben werden. Bei der Frage der Identitätsklärung bestehe eine "Mitwirkungspflicht".
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