Bunte Socken, enges Hemd und lockere Sprüche
München – Das Wichtigste zuerst: Nein, er ist nicht mit dem Motorrad nach München gekommen. Gianis Varoufakis hat ein Flugzeug aus England genommen, wo er in der vergangenen Woche diverse Interview- und Vortragstermine hatte, und ist vom Flughafen mit dem Taxi zur Universität gefahren.
In der Großen Aula der LMU angekommen, bietet der ehemalige griechische Kurzzeit-Finanzminister dann aber alles, was von ihm erwartet wird: Die Krawatte zum taubenblauen, eng geschnittenen Hemd und den schwarzen Anzug hat er großzügig weggelassen. Seine schwarzen Schuhe haben einen so hohen Schaft, dass man die rosafarbenen Socken mit dunklem Muster fast nicht sieht – aber eben nur fast. Auf der Bühne legt er meist einen Fuß auf dem Knie des anderen Beins ab und die Hose rutscht nach oben.
Mehr als 800 Menschen sind gekommen, um zu hören, was Varoufakis zu erzählen hat zu den Themen Griechenland, Krise in Europa, Euro. Es ist vor allem ein distinguiertes Publikum: Ärmelschoner, analoge Armbanduhren, polierte Schuhe. Einer liest während des Vortrags in einem Buch: „Formwandel der Verfassung – Die postdemokratische Verfasstheit des Transnationalen“. Nur ein paar Jüngere sitzen auf den Balkonen in der Aula.
Charmant ist Varoufakis, locker, unverblümt. „Lasst mich meine Frustration mit euch teilen“, sagt er lächelnd und in einem Tonfall, als ginge es um eine Schale Erdnussflips. Es folgt eine Gianis-zentrische Reise durch die Verhandlungen mit der Eurogruppe, „die nie ernsthaft über einen Reformplan mit uns gesprochen hat“.
"Ich sehe viele hier lächeln, aber ich meine das nicht als Witz"
Als Popstar wurde der überzeugte Marxist in seiner Mini-Ministerzeit von Januar bis Juli dieses Jahres bezeichnet, als Rock-Ökonom, als Enfant terrible. Der mit der Yamaha ins Parlament fuhr und eine Lederjacke trug beim Treffen mit dem britischen Premier. Nichts von diesem krawalligen Image hat er eingebüßt: Deutschland schlägt er beispielsweise den Austritt aus dem Euro vor: „Ich sehe viele hier lächeln, aber ich meine das nicht als Witz.“
Hans-Werner Sinn, Ökonom und Präsident des Münchner Ifo-Instituts, hat Varoufakis zu Minister-Zeiten kritisiert – ein Rauswurf der Griechen aus dem Euro sei die einzige Lösung. Hier versteht er sich gut mit dem Minister a. D.: „Ich bewundere Sie für Ihre Deutlichkeit“, sagt er. Und stimmt ihm zu, dass die Krise noch lange nicht vorbei ist. Am Ende gibt der Grieche natürlich Autogramme, und Sinn lässt sich sein Exemplar von Varoufakis’ Buch „Time for Change – Wie ich meiner Tochter die Wirtschaft erklärte“ signieren.
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Ob Varoufakis seine Karriere wieder aufnehmen wird, lässt er offen, ganz elegant: „Ob ich in die Politik zurückkehren werde? Ich habe die Politik nie verlassen. Ich habe die Regierung verlassen. Schon was ich hier tue, ist Politik.“ Es sei seine Pflicht, sich weiter zu engagieren. „Europa ist unser Zuhause. Wir müssen dafür sorgen, dass es funktioniert.“
Wem der Auftritt übrigens wirklich genützt hat: Feodora. Das blonde Mädchen ist zwölf Jahre alt, auf ihrem Shirt glitzert ein großer Stern, und ihr Vater hat mitgedacht. Sie hält nämlich in der Schule bald ein Referat über Griechenland. Da kann sie jetzt ein Foto herzeigen von sich, ihren drei Geschwistern und Gianis Varoufakis – dem Popstar, der aus der Krise kam.