Buch über frühere Staatsbauschule: "Ein Haus wie ein Maßanzug"

München - Phänomenale Raumerlebnisse, eine vitale Arbeitsatmosphäre und eine insgesamt experimentelle Konstruktion wird ihr attestiert - der früheren Staatsbauschule in der Karlstraße 6.
Seit 1957 wird hier studiert, gelehrt und geforscht. Vor 51 Jahren entstand die Fachhochschule München. Seither werden hier auch Architekten und Bauingenieure ausgebildet.
Frühere Staatsbauschule: Hochschule kämpft um ihren Standort
Ein Teil der Münchner steht Gebäuden aus den frühen Nachkriegsjahren eher ablehnend gegenüber. Sie gelten als uninteressant. Die ehemalige Staatsbauschule wirkt zunächst wie ein gewöhnliches Bürohaus. Die Qualität ihrer Architektur entfaltet sich erst in den Details und im Inneren.
Die Fachwelt hält das Gebäude für eine der "interessantesten Raumschöpfungen" der Nachkriegsjahre im Münchner Zentrum. Ein neues Buch widmet sich mit aktuellen und historischen Fotos, Plänen und Zeitzeugenberichten dem Faszinosum.
Das Haus zeige exemplarisch, welche positive Wirkung Architektur entfalten kann. Die Hochschule München nennt es ein Privileg, an dem Ort sein zu dürfen. Seit Jahren kämpft sie erfolgreich um ihren Standort. "Das Haus ist wie ein Maßanzug auf die Bedürfnisse der Lehrenden und Studierenden zugeschnitten", schreibt Professor Johannes Kappler, Dekan der Fakultät für Architektur.
"Das Haus hat einen demokratischen und architektonischen Neuanfang markiert"
Im Gegensatz zur autoritären Repräsentationsarchitektur der NS-Zeit nahe Königsplatz, verströmt die frühere Staatsbauschule Leichtigkeit und Transparenz.
Statt versteinerter Machtgeste und Symmetrie gilt die freie Komposition. Statt Materialismus und Monotonie sind Sachlichkeit und Bescheidenheit zu spüren. "Das Haus hat einen demokratischen und architektonischen Neuanfang markiert", heißt es in dem Buch.
Besonders die Schale über dem Lichthof ist spektakulär
Der Ort des Lernens, Entwerfens und Forschens strahlt skandinavisch modern "Wärme und Heiterkeit" aus. Die Materialien sind "fein aufeinander abgestimmt". Das Haus, am südlichen Rand des heutigen Kunstareals gelegen, gilt als statisches Glanzstück: mit leichten Konstruktionen über lichten Räumen.
Besonders die Schale über dem Lichthof ist spektakulär: Das Gebäude musste kostengünstig errichtet werden. Die drei Architekten Franz Ruf, Rolf ter Haerst und Adolf Seifert zelebrierten hier "Die Opulenz der Armut".
"In dem Entwurf sollte viel Gefühl stecken"
Künstlerisch sticht das dunkle und bewegte Naturstein-Mosaik im Haus hervor, das geheimnisvoll wirkt und an den Nachthimmel erinnert.
Weiter prägen "Klarheit in der Struktur und ein hohes Maß an Filigranität die Ästhetik des Hauses: gebaut mit Beton, Stahl, Glas, Natursteinen und viel Holz. Zeitzeuge Peter Lanz berichtet: "Hinter der Konstruktion stand der Gedanke, dass alles nicht zu technisch sein sollte. In dem Entwurf sollte viel Gefühl stecken. Der Nationalsozialismus war ja nicht lange her."
Neuerscheinung: Staatsbauschule München. Architektur, Konstruktion und Ausbildungstradition. (Hg.) Silke Langenberg u. a., Detail-Verlag, 55 Euro.