Buben von der eigenen Mama entführt
UNTERHACHING - Jahrelanger Streit ums Sorgerecht eskalierte am vergangenen Freitag: Eine italienische Mutter greift sich ihre Buben (8, 11) in Unterhaching und taucht unter.
Auf offener Straße entführt – wahrscheinlich von der eigenen Mutter. Seit einer Woche vermisst Tobias R. aus Unterhaching seine beiden Söhne Paolo (8) und Carlo (11, Namen geändert). Er hatte sie fünf Minuten an der Unterhachinger Stadtbibliothek aus den Augen gelassen, als die Kinder am Freitag vergangener Woche verschwanden. Noch am selben Tag erstattete er Anzeige. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Hinter der Tat steht wohl Marinella C., die Mutter der Kinder. Nach einem jahrelangen Streit mit dem Vater und den deutschen Behörden um die Kinder hat sie nach italienischen Medienberichten die Buben abgeholt und sich danach mit ihnen gen Polen abgesetzt. Der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“ gab sie inzwischen sogar ein Interview, in dem sie die Umstände der Entführung beschreibt: „Die Kinder waren in der Bibliothek gewesen, aber sie liefen gerade heim. Ich habe sie gesehen, ich habe sie gerufen. Carlo lief zu mir, Paolo folgte ihm. Dann sind wir los."
Marinella C. spricht von einer spontanen Entscheidung, ihre Kinder wieder zu sich zu holen. Sie habe zunächst versucht, die Buben in Meran beim Winterurlaub zu sehen, als sie diese dort aber nicht antraf, sei sie nach München weitergefahren. „Von München aus, wo ich einen Diplomaten getroffen hatte, fuhr ich nach Unterhaching und sah Carlo.“ Nachdem sie die Kinder mitgenommen hatte, musste sie erst einmal überlegen: „Ich wusste nicht wohin, ich habe danach entschieden."
Vater spricht von "gezieltem Zugriff"
Für den Vater stellt sich das dramatische Geschehen ganz anders dar. Die Tat sei lange vorbereitet gewesen, sagt er im AZ-Gespräch und spricht von einem „gezielten Zugriff“. Um die Kinder zu schützen möchte er aber keine weiteren Details preisgeben. Nur, dass in den italienischen Zeitungen die Fakten verdreht werden. „Die Kinder haben hier zu leben und zur Schule zu gehen. Ich habe alle Rechte auch von italienischen Gerichten bekommen.“ Das stimmt. Nachdem sich die Eheleute Tobias R. und Marinella C. 2006 trennten, bekam der Vater 2008 zunächst das Aufenthaltsbestimmungsrecht zugesprochen. Daran hielt sich Marinella C. aber nicht, sondern nahm die Kinder mit nach Mailand, wo sie eine neue Stelle antreten wollte. Sie wurde wegen Entführung angezeigt.
Daraufhin entzog ihr das Münchner Amtsgericht im Februar 2009 auch das Sorgerecht. Auch bei den italienischen Behörden blitzte sie ab. Im Mai 2009 brachten die Carabinieri Paolo und Carlo zurück nach Unterhaching. Begründung: Marinella C. habe beide ohne Einwilligung des Vaters widerrechtlich nach Italien entführt und sei während eines laufenden Gerichtsverfahrens illegal untergetaucht. In Italien sorgte der Fall für großes Aufsehen, Marinella C. sprach im Fernsehen und in der Zeitung, trat eine große Kampagne los. Tenor: Das deutsche Jugendamt würde im Fall der Trennung versuchen, Kinder aus binationalen Ehen mit allen möglichen legalen, aber auch illegalen Tricks im Land zu halten.
Angst vor dem Gefängnis habe sie nicht, erklärte Marinella C. dem „Corriere“: „Wenn du keinen Grund mehr hast zu leben, holst du dir einfach einen zurück. Sollte ich im Gefängnis landen, würde ich mir nur um Paolo und Carlo Sorgen machen.“ Und dann macht sie ihre große Entschlossenheit deutlich: „Aber das muss klar sein: Um mir die Kinder wieder zu nehmen, müssen sie mich töten.“
John Schneider
- Themen: