Bub findet Behindertenausweis nicht - MVG will 40 Euro

Der autistische Bub findet bei einer Kontrolleseinen Behindertenausweis nicht – seine Großmutter muss 40 Euro zahlen. Erst auf AZ-Anfrage lenkt die Verkehrsgesellschaft ein.
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Raven (5) und seine Großmutter Marica Abosi mussten wegen Schwarzfahrens 40 Euro zahlen – weil der Bub seinen Behindertenausweis nicht fand.
R. Zimmermann Raven (5) und seine Großmutter Marica Abosi mussten wegen Schwarzfahrens 40 Euro zahlen – weil der Bub seinen Behindertenausweis nicht fand.

Der autistische Bub findet bei einer Kontrolleseinen Behindertenausweis nicht – seine Großmutter muss 40 Euro zahlen. Erst auf AZ-Anfrage lenkt die Verkehrsgesellschaft ein.

MÜNCHEN Das Leben ist manchmal ungerecht: Eine 55-jährige Münchnerin und ihr fünfjähriger Enkel Raven fahren U-Bahn, sie geraten in eine Fahrscheinkontrolle. Der Bub ist Autist. Normalerweise zeigt er seinen Schwerbehindertenausweis vor, wenn er kontrolliert wird. Doch diesmal sucht er vergeblich in seiner Jackentasche.

„Wo ist nur der Ausweis?“, fragt Ravens Großmutter den Kleinen. Doch Raven schüttelt nur ratlos den Kopf. „Die Kindergärtnerin hat den Ausweis in seine Brotzeittasche gesteckt“, erklärt seine Mutter Victoria Spittael (31) später, „damit er beim Spielen nicht verloren geht“.

Weil Ravens Oma davon nichts mitbekommt, als sie ihren Enkelsohn vom Kindergarten abholt, wird der Heimweg für sie und ihren Enkel zum Albtraum: Der Kontrolleur behandelt die 55-Jährige, so empfindet sie es, wie eine Schwarzfahrerin. „Obwohl sie als Ravens Begleitperson gratis fahren darf“, ärgert sich die Mutter des Buben.

Sie sei nicht schwarzgefahren, erklärt die 55-Jährige dem Kontrolleur, und dass Raven normalerweise seinen Behindertenausweis immer mit sich trägt. Auch der Fünfjährige bringt vor Angst keinen Ton heraus. Der Kontrolleur jedoch hat kein Mitleid mit den beiden – er brummt der Frau ein „erhöhtes Beförderungsentgelt“ von 40 Euro auf.

„Zudem hat er meine Mutter aufgefordert, aus der U-Bahn zu steigen“, empört sich Ravens Mutter, „dabei wären es nur noch zwei Stationen bis nach Hause gewesen“.

Ravens Oma weiß nicht, wie ihr geschieht. Weil sie keine andere Möglichkeit sieht, geht sie mit Raven den restlichen Weg zu Fuß. „Mehrere Kilometer waren das, das hätte einfach nicht sein müssen“, beschwert sich ihre Tochter. Die 40 Euro hätte ihre Mutter längst bezahlt, sagt sie. Sie wolle keinen Ärger. Dennoch pocht die 55-Jährige auf ihr Recht und zeigte im MVG-Kundencenter in der Poccistraße den Behindertenausweis ihres Enkels vor, nachträglich.

„Wir wollten zumindest einen Teil des Geldes zurück“, betont Victoria Spittael. „Doch die MVG hat Ravens Behindertenausweis nicht als Nachweis akzeptiert.“ Spittael vermutet, dass der Kontrolleur nur den Namen ihrer Mutter aufgenommen hatte, nicht jedoch den des kleinen Raven. Nur so kann sie sich erklären, warum die MVG auf stur schaltete. „Wenn jemand als Begleitperson unterwegs ist, muss auch bei der Kontrolle der Schwerbehindertenausweis vorgelegt werden. Andernfalls wird das erhöhte Beförderungsentgelt fällig“, heißt es in einem MVG-Schreiben an Ravens Eltern.

„Wir haben mehrmals versucht zu erklären, wie es zu dem Missverständnis kommen konnte“, sagt Victoria Spittael, die sich durch den Verwaltungsakt diskriminiert fühlt. „Mit einem behinderten Kind hat man es sowieso nicht leicht, und dann werden einem solche Steine in den Weg gelegt.“

Auf AZ-Anfrage lenkt die MVG dann aber doch noch ein: „Die Schilderungen der Kundin klingen glaubwürdig", kommentiert MVG-Sprecher Christian Miehling den Fall. „Angesichts der geschilderten Umstände sind wir in diesem Einzelfall aus Kulanzgründen bereit, auf das erhöhte Beförderungsentgelt zu verzichten.“

Den Vorwurf, der U-Bahn-Kontrolleur habe die 55-Jährige zum Aussteigen aufgefordert, weist der Sprecher zurück. „Der Kollege hat uns versichert, die Dame – dem üblichen Vorgehen entsprechend – nicht aus dem Zug verwiesen zu haben. Sie hätte ihre Fahrt also fortsetzen können.“ Bei Ravens Eltern hat sich die MVG inzwischen entschuldigt. „Das freut uns“, sagt Raven Mutter. „Schade nur, dass es so lang gedauert hat.“

ah

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