Briefkastenfirma mitten in München: 183 Unternehmen in einem Haus

Mitten in München bietet ein Unternehmen Firmengründungen im Ausland an – inklusive Schein-Geschäftsführer und Briefkastenadresse. In der AZ packt ein Insider aus.
Paul Nöllke |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Sieht ganz schön schmal aus, das rote Haus mit der Nummer 44: Im Erdgeschoss ist eine Pizzeria – darüber sind sehr viele Briefkastenfirmen untergebracht.
Petra Schramek Sieht ganz schön schmal aus, das rote Haus mit der Nummer 44: Im Erdgeschoss ist eine Pizzeria – darüber sind sehr viele Briefkastenfirmen untergebracht.

München - Nur ein Bruchteil unserer Kunden ist wirklich kriminell, viele wollen auch nur einen bekannten Namen verstecken, etwas vor ihrer Ehefrau verheimlichen oder unerkannt dem eigenen Arbeitgeber Konkurrenz machen". So beschreibt Uwe Z. die Motivation seiner Klienten.

Herr Z. arbeitet für eine Münchner Firma, und erbringt eine sehr spezielle Dienstleistung: In Zusammenarbeit mit der Companea GmbH, die in bester Innenstadtlage zwischen Marienplatz und Isartor residiert, lässt er sich für Firmen – mit denen er sonst selber nichts zu tun hat – als Geschäftsführer eintragen. Diese Firmen sind dann auch nicht im deutschen Handelsregister gemeldet, sondern in England als "Limited Company" (Das englische Äquivalent zur deutschen GmbH).

Nachfrage nach Briefkastenfirmen ist groß

Aber warum melden deutsche Unternehmer ihre Firmen über eine Münchner Firma in England an? Dafür gibt es verschiedene Gründe: Man kann schon mit nur einem britischen Pfund Startkapital eine solche Firma gründen. Auch kann man sich als Unternehmer hinter einem "Scheindirektor" wie Uwe Z. verstecken, und somit verhindern, dass man mit etwaigen illegalen Aktivitäten der Firma öffentlich in Verbindung gebracht wird.

Der Service von Uwe Z. ist stark nachgefragt: So ist er als Direktor von 861 Firmen im englischen Handelsregister gelistet. Mit dieser Tätigkeit hat er nach eigenen Aussagen in vier Jahren über 400.000 Euro gemacht. Mitten in München sitzt die Firma, die das möglich macht: die Companea GmbH. Sie betreibt "Limited24", einen Service, der deutschen Unternehmern ermöglicht, Betriebe in einer ausländischen Rechtsform zu gründen. Companea bietet aber auch die eigene Adresse für Briefkastenfirmen an: So sind in dem kleinen beigen Haus im Tal etwa, in dem die Companea GmbH ihr Büro hat, 185 Firmen eingetragen.

Sitz im Tal für 39 Euro

Viele von ihnen werden schnell wieder aufgelöst oder verschmelzen mit anderen Briefkastenfirmen an anderen Adressen. Auf ihrer Website bewirbt Companea den Service: Für nur 39 Euro im Monat kann man seinen Firmensitz dort haben, "wo München am münchnerischsten ist" – inklusive Postumleitung zur echten Adresse.

Jochen Hüls ist Geschäftsführer von Companea. Den Vorwurf, dass er mit seinem Service kriminelle Tätigkeiten befördern würde, will er aber nicht auf sich sitzenlassen: "Wenn Sie ein Auto verkaufen, und der Käufer fährt danach in eine Menschenmenge, sind sie ja auch als Autoverkäufer nicht dran schuld." Über die Motivation seiner Kunden will er sich allerdings weniger frei äußern als sein Scheindirektor Uwe Z. "Viele sind bei der Unternehmensgründung vielleicht etwas unsicher und wollen nicht mit ihrem eigenen Namen scheitern."

Polizei beschlagnahmte alle Computer

Andere wären in Deutschland pleite und dürften hier keine Firma mehr gründen, mit einer Limited in England sähe das anders aus. Übrigens, so Hüls, würde ein Arbeitsverhältnis immer beendet, wenn es Anzeichen für betrügerisches Handeln gäbe. Krimineller Missbrauch passiere nur ab und zu.

Dieser Missbrauch geschah wohl auch im Fall eines Kunden von Uwe Z.: Vor ein paar Jahren klopfte bei ihm nämlich die Polizei an der Tür und beschlagnahmte alle seine Computer für mehrere Wochen. Ein Unternehmen, von dem er Direktor sei, habe betrügerisch gehandelt, mehrere Leute hätten große Summen überwiesen und keine Leistung erhalten. Letztendlich sei aber alles gut ausgegangen so Z. Er selbst sähe sich in solchen Fällen aber sowieso nicht als Täter, sondern als Opfer: "Denn am Ende hatte ich ja den Schaden."

Lesen Sie auch: Schlüsseldienst-Chef packt aus: So geht's in der Branche zu

Lesen Sie auch: Briefkastenfirmen in München - Das sagt der Experte

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.