Brief an Kind (2): "Bitte verlassen Sie Deutschland"

"Peinliche Behörden-Posse": Erst soll Baby Karam ohne Eltern nach Serbien abgeschoben werden, dann seine Schwester Medina (2).
von  Anne Kathrin Koophamel
In Bayern geboren, in Deutschland unerwünscht: Nach dem acht Monate altem Karam (l.) wird auch seiner Schwester Medina (2, r.) die Abschiebung angedroht.
In Bayern geboren, in Deutschland unerwünscht: Nach dem acht Monate altem Karam (l.) wird auch seiner Schwester Medina (2, r.) die Abschiebung angedroht. © S. Müller

Erst soll Baby Karam ohne Eltern nach Serbien abgeschoben werden, dann seine zweijährige Schwester Medina. Der Flüchtlingsrat findet die Behörden-Posse „einfach nur peinlich.“

München - Als Maida Murselovic den Brief öffnet, sinkt sie vor Schreck aufs Bett. „Die Antragstellerin wird aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen zu verlassen“, steht dort. Die Antragstellerin ist Murselovics Tochter Medina. Sie ist zwei Jahre alt.

Vor einer Woche hatte die AZ berichtet, dass Baby Karam mit acht Monaten nach Serbien abgeschoben werden soll. Danach erhält die Mutter (23) einen zweiten Brief: Die Ablehnung des Asylantrags sei „eine Form-Sache“, Karam dürfe in Deutschland bleiben.

Jetzt hält Murselovic wieder ein solches Schreiben in der Hand. Die Angst ist zurück. „Ich gebe keines meiner Kinder her“, sagt die Serbin, die mit einer Aufenthaltserlaubnis seit 13 Jahren in Bayern lebt. Dabei hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach dem AZ-Bericht erklärt, man wolle Abschiebeandrohungen bei Minderjährigen künftig einen erklärenden Brief beilegen: Kein Kind werde ohne Eltern abgeschoben. Einen Tag nach dieser Absichtserklärung geht das Schreiben an Murselovic. Ohne erklärenden Brief.

„Das ist einfach nur peinlich“, sagt Monika Steinhauser vom Flüchtlingsrat. Die Behörden würden viele Flüchtlinge systematisch mürbe machen: „Viele knicken irgendwann ein und reisen aus.“

Murselovic aber will bleiben – noch. „Was soll ich als Mutter denken, wenn man mir in einem Land wie Deutschland droht, meine Kinder wegzunehmen? Zweimal in wenigen Tagen.“ Wöchentlich fülle sie Anträge aus. Seitdem sie vor fünf Jahren mit ihrem ältesten Sohn Ekrem schwanger wurde, ist alles nur schlimmer geworden. Das liege auch an ihrer Beziehung zu dem Iraker Haji, mit dem sie die drei Kinder hat.

Haji hat keine Aufenthaltsgenehmigung, nur eine Duldung. Das macht vieles kompliziert: So muss er getrennt von der Familie in Neuburg leben. Arbeiten kann die Mutter nicht. „Wer passt dann auf meine Kinder auf?“ Deutschland will die Familie nicht. Dabei sei Bayern ihr Zuhause, sagt die junge Frau: „Nur das Gefühl fehlt, daheim zu sein.“

Maida Murselovics Träume sind bescheiden. „Mein größter Wunsch ist es, Haji standesamtlich zu heiraten und einen Kindergartenplatz für Ekrem zu finden“, sagt die junge Frau und die Tränen treten ihr in die Augen. „Aber bis dahin dauert es wohl noch lange."

 

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