Brandbrief: Klinikum in der Krise

In einem Brandbrief beklagen Harlachinger Ärzte Personal-Engpässe. Nach dem Hygiene-Skandal am Stadt-Klinikum liegt das Worst-Case-Szenario bei einem Jahresverlust von 25 Millionen Euro
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MÜNCHEN - In einem Brandbrief beklagen Harlachinger Ärzte Personal-Engpässe. Nach dem Hygiene-Skandal am Stadt-Klinikum liegt das Worst-Case-Szenario bei einem Jahresverlust von 25 Millionen Euro

Eigentlich wollte die Geschäftsführung des Städtischen Klinikums am Dienstag bei einer Pressekonferenz eine Zwischenbilanz ziehen. Zeigen, dass sich nach dem Hygiene-Skandal schon viel getan hat. Den Blick nach vorne richten. Doch dann drängte erstmal ein neues Problem auf die Tagesordnung. Ein Brandbrief von Assistenzärzten, in dem über gravierende Mängel im Klinikum Harlaching berichtet wird.

In dem Brief an Klinikdirektorin Gabriele Schmidt-Maaß beschreiben die Assistentensprecher extreme personelle Engpässe – sowohl bei Pflegekräften als auch Ärzten. Teils würden jetzt, im Normalbetrieb, sogar weniger Ärzte arbeiten als während des Streiks im Jahr 2006. Es sei „letztendlich nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Patienten ernsthaften Schaden erleiden“, heißt es in dem Schreiben, das der AZ vorliegt. Die Folgen des Personalmangels bei den Pflegekräften: Medikamente würden zu spät oder gar nicht gegeben, Blutdruck, Puls oder Temperatur nicht gemessen. Die Rede ist von einer „verzögerten, insuffizienten Behandlung“. Im ärztlichen Bereich seien „schon des öfteren Beinahezwischenfälle, die potentiell auch lebensbedrohlich waren“ dokumentiert worden, steht in dem Brief.

Die Reaktion auf das Schreiben kam prompt. Gestern machte die Geschäftsführung bekannt: Bis Ende des Jahres sollen fünf neue Ärzte eingestellt werden. Und am 1. Oktober sollen 20 neue Pflegekräfte in Harlaching anfangen, der Bedarf liegt derzeit bei 40. Es sei generell ein Problem, Pflegekräfte zu bekommen, hieß es – zumal in München, wo bezahlbarer Wohnraum knapp ist. „Wir würden sogar so weit gehen, ein Hotel zu bezahlen“, erklärte der Vorsitzende der Geschäftsführung, Franz Hafner. Um den Personalmangel machte die Geschäftsführung kein Geheimnis. Dennoch wollte sie den Brandbrief bei der Pressekonferenz so nicht stehen lassen. „Es sind keinerlei konkrete Vorfälle bekannt geworden, dass ein Patient zu Schaden gekommen ist“, hieß es. Und die angeblichen „Beinahekatastrophen“ seien nicht dokumentiert worden.

Der Brief zeigt: Das Klinikum kommt noch nicht zur Ruhe. Auch wenn sich die Lage nach dem Hygiene-Skandal langsam normalisiert. Die Sterilgutabteilung für Bogenhausen und Neuperlach soll Mitte September wieder öffnen – sie war wegen gravierender Mängel dicht gemacht worden. Derweil kommt OP-Besteck aus anderen Kliniken.

Zu Beginn der Krise war in Bogenhausen fast jede zweite Operation abgesagt worden. Letzte Woche lag das Minus noch bei 20 Prozent. „Der wöchentliche Erlösverlust von anfangs etwa 1,5 Millionen Euro hat sich bereits auf die Hälfte reduziert“, heißt es. Geschäftsführer Hafner hält einen zweistelligen Millionenverlust aber für unabwendbar. Das Worst-Case-Szenario liegt bei einem Minus von 25 Millionen Euro. Julia Lenders

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