Bogenhausen: Zu fein für Kinder?

Possartstraße, Bogenhausen: Feinste Gegend, ruhige Lage. Wenn da nicht der Montessori-Kindergarten wäre. Eine „Wertminderung“, klagen Anwohner. Am Montag war Ortstermin vor Gericht.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Kindergartengründerinnen Claire Damico (l.) und Penny Mantz
Martha Schlüter Kindergartengründerinnen Claire Damico (l.) und Penny Mantz
Carbonatix Pre-Player Loader

Audio von Carbonatix

MÜNCHEN - Possartstraße, Bogenhausen: Feinste Gegend, ruhige Lage. Wenn da nicht der Montessori-Kindergarten wäre. Eine „Wertminderung“, klagen Anwohner. Am Montag war Ortstermin vor Gericht.

Boris Becker hat früher um die Ecke gewohnt. Ganz in der Nähe ist auch das Privatdomizil des russischen Generalkonsuls. Hier, im schicken Bogenhausen, fühlen sie sich wohl: Die Reichen der Stadt. Doch jetzt bangen einige Anwohner in der Possartstraße um die Ruhe in ihrem Villenviertel. Stein des Anstoßes ist ein Kindergarten. Mehrere Nachbarn zogen gegen die Montessori-Einrichtung vor Gericht. Ist Bogenhausen zu fein für Kinder?

„Sie hören die Kinder schreien und heulen – das ist doch kein angenehmes Geräusch!“, ärgert sich Dr. Katharina K. Vor eineinhalb Jahren kauften sie und ihr Mann ein herrschaftliches Anwesen an der Possartstraße. Im September 2007 zog der Kindergarten ins Nachbarhaus ein – in die ehemaligen Räume einer Arztpraxis. „Wenn die Einrichtung schon da gewesen wäre, hätten wir das Haus nicht gekauft. Das ist doch eine Wertminderung!“

Eilverfahren ohne Erfolg

Sabine B. ist ganz ihrer Meinung. Auch ihr Haus grenzt an die Freispielfläche des Kindergartens an. „Der Krach der Kinder übertönt sogar den Autoverkehr“, sagt die schlanke Frau mit den winzigen Pfennigabsätzen. Hinzu käme die Geräusch-Kulisse, wenn die Kinder ab 7 Uhr früh in die Einrichtung gebracht würden. „Die Mütter, die aussteigen, machen Lärm!“

Die Anwohner entschlossen sich zur Klage. Im Eilverfahren hatten sie damit jedoch keinen Erfolg. Sie müssten den Kinderlärm hinnehmen, stellte das Verwaltungsgericht fest. Vor Beginn des Hauptsacheverfahrens verschaffte sich die Richterin Marion Pauli-Gerz gestern vor Ort einen Überblick über den Fall. „Es sind derzeit keine Kinder im Hof – trotz schönen Wetters“, gab sie zu Protokoll.

Das seien sie ohnehin nicht oft, beteuert Kindergarten-Gründerin Claire Damico (24). Zwei Mal am Tag dürften die Kleinen für je eineinhalb Stunden raus – dort gibt es einen Sandkasten und ein Trampolin. 32 Kinder sind es, im Alter von eins bis sechs Jahren. Die Höchstgrenze liegt bei 45 Kindern. „Ich kann nicht verstehen, dass sich Nachbarn gestört fühlen“, sagt die Erzieherin.

"Ein reines Profitunternehmen"

Eigentlich passt der Kindergarten „Am Sternenwinkel“ gut hierher: 750 Euro im Monat kostet die Gebühr. Und das, obwohl die Räume im Souterrain liegen. „Unsere Kinder können dafür schon mit fünf Jahren lesen, schreiben und rechnen“, versichert Damico. Die Erzieherinnen reden auf Deutsch und Englisch mit den Zwergerln. „Das ist ein reines Profitunternehmen. Abzocke!“, ärgert sich die Nachbarin Sabine B. Gegen einen sozialen Kindergarten wäre sie gerichtlich nicht vorgegangen. Aber gegen diesen...

Gestern verhandelte das Verwaltungsgericht im Hauptsacheverfahren. Die Entscheidung soll erst heute mitgeteilt werden. Trotzdem ließ die Richterin durchblicken: In einem allgemeinen Wohngebiet, in dem es auch Gewerbe gibt, spricht nichts gegen eine Krippe. Die Kläger seien „vielleicht etwas übersensibel“, wurde Beisitzer Florian Schlämmer noch etwas deutlicher.

Dass sich Nachbarn beschweren, ist keine Seltenheit. Im Gegenteil: Die Klagen werden mehr. Deswegen richtete Umweltminister Otmar Bernhard (CSU) jetzt einen Appell an die Münchner: „Kinder brauchen Platz und müssen draußen spielen dürfen!“

Julia Lenders

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.