BMW sagt Verbrenner Adieu: So läuft die Elektro-Revolution in München

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Summend rückt die Karosserie eines Gran Coupé wie bei einer Schwebebahn heran. Sie stoppt, als sie direkt über der schon wartenden Antriebseinheit hängt. Und setzt sich schließlich auf die für Verbrenner typischen Bauteile Motor, Getriebe und Kardanwelle ab – es wird "Hochzeit" gefeiert, wie es unter Autobauern heißt.
Ganz anders sieht die nächste Antriebseinheit aus, die vorgefahren wird: Die ist zweigeteilt und nicht über eine Stange miteinander verbunden. Auch der Motor wirkt im Vergleich wie ein Motörchen. Ein reiner E-Antrieb wird hier verheiratet.
Neues System für "nächste Dekaden": In zwei Jahren soll die Umstellung in München abgeschlossen sein
Über den verfügt inzwischen fast jedes zweite Auto (über 40 Prozent in 2024), das im Münchner BMW-Werk vom Band läuft. Ab Ende 2027 soll jedes hier produzierte Fahrzeug ein Stromer werden. Rund fünf Jahre nach dem 100-jährigen Jubiläum des ersten BMW-Werks wird es auch das erste bereits bestehende Werk sein, das nur E-Autos herstellt.

Peter Weber, der seit 2021 der Werkleiter in München ist, trägt zum Gespräch keinen Anzug, sondern eine marineblaue Firmenjacke, wie auch viele der über das Gelände schwirrenden Mitarbeiter. Er sagt: "Für uns ist Transformation ein kontinuierlicher Prozess."

Das zeige die Geschichte des Werks: Erst ging es mit Flugzeugmotoren los, danach kamen Motorräder und seit über 70 Jahren werden auch Autos gebaut. Viele davon nun eben elektrisch, ein weiterer Schritt in der Transformation. "Sie ist eine Chance, die Zukunft zu gestalten", sagt Weber. "Das, was wir bis 2026 im Werk München machen, wird das Produktionssystem für die nächsten Dekaden sein."
Mit dem Plan ist BMW der Konkurrenz zum Teil voraus
Die Internationale Energieagentur (IEA) erwartet, dass Elektroautos bis 2030 einen weltweiten Marktanteil von über 40 Prozent erreichen könnten. Bis dahin will BMW sogar, dass der Anteil von Stromern an seinen Umsätzen auf 50 Prozent steigt.
Der dafür nötige Umbau im Werk München geschieht parallel zum laufenden Betrieb. Deshalb klingt es auf dem Gelände auch nach Baustelle: Rufe, Poltern, Piepen eines Rückfahrwarners. Danach sieht es beim Vorbeigehen an den neuen Hallen aber nicht aus. Nur die Absperrzäune erinnern daran, dass nicht jede Werkshalle betriebsbereit ist.
BMW baut von West nach Ost, um schneller zu sein
"Normalerweise wird von unten nach oben gebaut, aber dafür haben wir nicht die Zeit", erklärt Werkleiter Weber. Stattdessen geht man nun von West nach Ost vor: "Sobald ein Segment des neuen Gebäudes fertig ist, können wir schon die Infrastruktur reinbauen. Wenn das Gebäude fortschreitet, ziehen wir die Installation der Technik-Infrastruktur nach." Insgesamt sind vier neue Gebäude hinzugekommen – die gesamten Kosten für den Umbau liegen laut BMW bei 650 Millionen Euro.

Eine der größten Aufgaben laut Weber: Den Auto- und Lastwagenverkehr für die tägliche Produktion und für die Baustelle aufeinander abzustimmen – inklusive der Personenströme von tausenden Mitarbeitern. Hierfür verlaufen etwa grüne Gehstreifen über das gesamte Werksgelände: Fußgänger müssen strikt auf diesen bleiben, denn es fahren immer wieder Lkw an einem vorbei.
Roboter packen bei der Produktion mit an
Der laufende Betrieb wird vom parallelen Umbau aber nicht gestört. Das zeigt sich etwa am Presswerk: Hier reihen sich krümmende, orangefarbene Finger aneinander – Roboterarme, die die silbern glänzenden Teile der Karosserie ungestört zusammenbauen.
Von denen werden in Zukunft noch mehr mitwerkeln: In der Ferne sind weitere zu sehen, die außer Betrieb wie eingefroren wirken. Sie sollen die Karosserien der Neuen Klassen zusammenfügen, die ab 2026 im Werk produziert werden.
"Mit dem Sprung in die Neue Klasse können wir die Fertigungskosten nochmal um zehn Prozent reduzieren", kündigt Weber an. Aufgrund der Konzentration auf nur eine Antriebsvariante fallen einige Produktionsschritte und Teile weg.
Weber nennt ein Beispiel: Statt zehn unterschiedlicher Schrauben haben diese künftig dieselbe Länge und denselben Durchmesser. "Das spart Geld bei den Materialkosten und geht schneller in der Fertigung", sagt der Werkleiter.
"Wir brauchen weniger Energie und reduzieren den Wasserverbrauch"
Kosten spart BMW auch durch ein nachhaltiges Werk. Weber sagt: "Wir brauchen weniger Energie, weniger Wärme und reduzieren den Wasserverbrauch." Das heißt in der Praxis etwa: Der Ofen für das Aushärten des Klebers für die Frontklappen ist so optimiert worden, dass er zum richtigen Zeitpunkt die richtige Temperatur hat – und auch schnell wieder aus ist, sobald er nicht mehr gebraucht wird.
Außerdem spart sich das Werk mit der Aufbereitung von verbrauchtem Wasser sechs Millionen Liter frisches Wasser pro Jahr. Und in der Pause stehen nicht nur die Maschinen still: Als für die Brotzeit eine Mannschaft an Beschäftigten aus der Montagehalle rausmarschiert, gehen kurz darauf die Lichter aus.
Mitarbeiter sollen mit neuen Aufgaben gehalten werden
Weber sagt: „Nachhaltigkeit hat für uns drei Säulen: Ökologie, Ökonomie und soziale Verantwortung.“ Letzteres bezieht er darauf, dass durch die Transformation des Werks nicht nur neue Technologien und Prozesse aufgebaut werden, sondern auch den Mitarbeitern neue Aufgaben zufallen.
Das zeigt sich etwa daran, dass dort, wo einst Verbrenner-Motoren gebaut wurden, inzwischen neue Gebäude für die Logistik und die Fahrzeugmontage stehen. "Diese 1200 Mitarbeiter haben wir alle im Unternehmen weiterentwickelt", sagt Weber. Ein paar seien an andere Standorte, manche ins Forschungsinnovationszentrum gegangen. BMW will seine Mitarbeiter halten, denn: "Wir haben in Deutschland nicht nur einen Fachkräftemangel, sondern auch einen Arbeitskräftemangel."

Um die Angst vor einem möglichen Jobverlust erst gar nicht aufkeimen zu lassen, hält das Werk seine rund 6500 Beschäftigten mit dem Fahrplan für die Zukunft und neuen Entwicklungen auf dem Laufenden – etwa mit einer firmeninternen App und Mitarbeitertreffen.
Im Fall des Motorenbaus wurden die Beschäftigten laut BMW bereits 2020 informiert – November 2023 ging der letzte Motor vom Band. Weber sagt dazu: "Für uns als Führungsmannschaft war und ist die wichtigste Aufgabe, die Menschen bei der Transformation mitzunehmen."
Angespannte gesamtwirtschaftliche Lage
Diese zeigt sich auch am Markt: Für das Gesamtjahr 2024 konnte BMW einen Stromer-Absatzzuwachs von 11,6 Prozent verzeichnen. In allen Regionen gelang es dem Unternehmen, die Auslieferungen zu steigern – bis auf China, den global größten E-Auto-Markt. Dort steigt die Konkurrenz für Stromer, zugleich bereitet die Zollpolitik der USA, dem zweitgrößten Markt, der Autobranche Sorgen.
Werkleiter Weber sieht das entspannt: "Kern-DNA der Produktion ist, flexibel zu sein." Aber es gehöre dazu, das Weltgeschehen und die daraus entstehenden Marktentwicklungen im Blick zu haben. "Wir stellen uns die Frage, was kann passieren und wie würden wir darauf reagieren? Wenn es dann passiert, sind wir darauf vorbereitet."
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