Bluttat in Lerchenau: Die wirre Welt des Bombenbastlers von München

Der 57 Jahre alte Handwerker fühlt sich als Opfer einer Intrige. Er denkt, seine Tochter sei nicht von ihm. Staatliche Stellen und sogar die eigene Familie – allesamt hätten sich gegen ihn verschworen. Ein gefährlicher Wahn.
Ralph Hub
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Einsatzkräfte der Feuerwehr und der Polizei am Tatort in der Lerchenau. Der 57-Jährige soll in seinem Elternhaus Feuer gelegt haben. Zuvor griff er seinen Vater, seine Mutter und seine Tochter an. Die Vaterschaft für die inzwischen 21-Jährige bestritt er bis zuletzt.
Einsatzkräfte der Feuerwehr und der Polizei am Tatort in der Lerchenau. Der 57-Jährige soll in seinem Elternhaus Feuer gelegt haben. Zuvor griff er seinen Vater, seine Mutter und seine Tochter an. Die Vaterschaft für die inzwischen 21-Jährige bestritt er bis zuletzt. © dpa

Nachbarn und Bekannte beschreiben Martin P. als eher ruhigen Zeitgenossen, freundlich, zuverlässig und als talentierten Handwerker. Doch hinter der Fassade staute sich bei dem 57-Jährigen offenbar immer mehr Wut auf, die sich schließlich in dem Willen entlud, alles um ihn herum zu zerstören. Er verletzte seine Mutter (81) und seine Tochter (21), tötete wohl seinen Vater (90), steckte sein Elternhaus in Brand und tötete sich schließlich selbst mit einer selbst gebauten Schusswaffe.

Die eigene Familie im Visier

Eines ist klar: Der Anschlag auf seine Familie geschah nicht spontan, sondern war vom Täter von langer Hand vorbereitet und geplant. Doch was genau in den Stunden vor dem Feuer am Mittwoch in den frühen Morgenstunden geschah und wie es dem Tatverdächtigen gelang, das Haus und das Grundstück seiner Eltern mit Sprengfallen und Stolperdrähten zu präparieren, ermittelt noch immer die Kripo. Unklar ist auch, wie es ihm gelang, eine Schusswaffe zu bauen. Wie auch die weiterhin offene Frage, woher Martin P. den Explosivstoff hatte, um daraus Sprengfallen zu bauen und in seinem Elternhaus zu platzieren.

Martin P. an seinem Mercedes.
Martin P. an seinem Mercedes. © Screenshot Allround Max

Obduktion der beiden Leichen noch nicht abgeschlossen

Die Einsatzkräfte hatten das Haus wegen der großen Hitze nach dem Brand erst im Lauf des Donnerstags betreten können. Im Obergeschoss wurde eine verbrannte Leiche geborgen. Offenbar handelt es sich um den Vater (90) des Täters. Der Senior wurde erschossen, wie es heißt. Die Identität des Toten ist aber weiterhin nicht gesichert, so das Präsidium. "Die Obduktion ist noch nicht abgeschlossen“, sagte am Freitag eine Polizeisprecherin. Auch der Leichnam von Martin P. befindet sich zur Untersuchung in der Gerichtsmedizin.

Großmutter und Enkelin weiter in Behandlung

Die 81 Jahre alte Mutter des Täters wird mit einer Schusswunde im Bereich der Schulter weiterhin im Krankenhaus behandelt. Ihre Enkeltochter kam leichter verletzt mit einer Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus. Die Rentnerin hatte sich in einem Gebüsch im Garten versteckt. Die 21-Jährige wurde von Spezialkräften der Polizei mithilfe einer Feuerwehrleiter aus dem Obergeschoss des brennenden Einfamilienhauses gerettet.

Der ausgebrannte Mercedestransporter von Martin P. in der Glockenblumenstraße wird von einem Abschleppwagen abtransportiert.
Der ausgebrannte Mercedestransporter von Martin P. in der Glockenblumenstraße wird von einem Abschleppwagen abtransportiert. © dpa

Grotesker Streit um Vaterschaft

Die Tochter scheint der zentrale Punkt des Familienstreits zu sein. Seit 2022 beschäftigte Martin P. deshalb Gerichte und Behörden. Der Handwerker aus Starnberg klagte am Amtsgericht München. Er wollte die Vaterschaft für die damals noch minderjährige Tochter aberkennen lassen. P. war felsenfest davon überzeugt, dass nicht er, sondern sein eigener Vater der biologische Vater der heute 21-Jährigen sei.

Der Jahrelange Kampf vor Gericht

Im Januar 2022 klagte Martin P. erstmals vor Gericht. Er versuchte, die Vaterschaft aberkennen zu lassen. Der Rechtsstreit zog sich über mehrere Jahre und gerichtliche Instanzen bis vor das Oberlandesgericht, wo er erneut juristisch unterlag. Ein Labor der LMU München hatte in einem Gutachten festgestellt, dass es sich bei Martin P. eindeutig um den biologischen Vater der Deutschbrasilianerin handelt. P. warf dem Labor daraufhin vor, das Gutachten gegen Geld gefälscht zu haben, wie Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Mittwoch auf einer Pressekonferenz im Präsidium mitteilte. Beweise dafür konnte der Mann nicht vorlegen.

Seine Petition im Landtag scheitert

Im November 2023 richtete Martin P. schließlich eine Petition an den Landtag in München: Er beklagte darin "strukturierte Korruption“ bei Abstammungsgutachten der Uni München. P. behauptete, das Labor habe sich bestechen lassen und das Ergebnis der DNA-Untersuchung gefälscht. Er beschuldigte zudem Teile der Justiz und der Polizei, an einer Intrige gegen ihn beteiligt zu sein, und dass die Behörden angeblich hintertreiben würden, dass der Betrug aufgedeckt werde. 

Der Wahn wird immer gefährlicher

Martin P. steigerte sich in seine Wahnvorstellung immer mehr hinein. Er entwickelte Verschwörungstheorien - sah sich von Verrat und Intrigen umgeben. Bekannte beschreiben den 57-Jährigen als "verbissen“ und "unbelehrbar“. P. reichte schließlich auch noch eine Petition im Bayerischen Landtag ein, ein rund 200 Seiten umfassende Ansammlung von Schriftstücken mit allen darin gesammelten Gerichtsentscheidungen, Gutachten und seinen Einlassungen und Anschuldigungen in der Angelegenheit. Im März 2024 beschäftigte sich schließlich der Verfassungsausschuss im Maximilianeum mit der Petition des 57-jährigen Handwerkers. Martin P. kam zu dem Termin persönlich ins Maximilianeum. Doch er scheiterte auch diesmal wieder. Die Petition wurde für erledigt erklärt, so Innenminister Herrmann. "Aber offensichtlich wollte sich der Täter nicht mit der Situation abfinden.“ P. glaubte weiterhin, dass die inzwischen 21-Jährige nicht seine leibliche Tochter sei.

Täter radikalisiert sich selbst

Martin P. war polizeilich bis vor dem brutalen Angriff auf seine Familie ein "unbeschriebenes Blatt“, wie der Innenminister bestätigte, auch beim Staatsschutz habe gegen den Mann nichts vorgelegen. Er sei nicht wegen extremistischer Tendenzen aufgefallen oder Kontakten in die Reichsbürgerszene oder zu ähnlichen Gruppierungen.  Die Kripo versucht herauszufinden, woher Martin P. den Explosivstoff hatte, um Sprengfallen zu bauen, die er in seinem Elternhaus und seinem Firmenwagen, einem Mercedes Sprinter, deponiert hatte. Die nötigen Bauanleitungen lassen sich im Internet finden. Handwerklich begabt ist der 57-Jährige, der in Starnberg eine Einmannfirma für Hausmeisterdienste betrieb. Das Gebäude, in dem Martin P. zuletzt zurückgezogen lebte, wurde ebenfalls durchsucht.

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